Wenn es um alles geht: Mentale Stärke in Sport und Beruf

Kroatiens Luka Modric, eingenetzt gegen Russland.
Kroatiens Luka Modric, eingenetzt gegen Russland.APA/AFP/ADRIAN DENNIS
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Ob vor dem Elfmeterpunkt oder der Türklinke zum Chefbüro. Manchmal geht es um alles. Doch außergewöhnliche Drucksituationen lassen sich bewältigen.

Wie fühlt sich der Spieler, der vor dem Elfmeterpunkt steht? Die Zuschauer toben auf den Rängen, der Torwart rudert mit den Armen, ein Gegenspieler lässt eine böse Bemerkung fallen. Hochspannung. Denn ein Schuss entscheidet.

Derartige Drucksituationen gibt es nicht nur im Fußball. Es gibt sie aber auch abseits des Platzes - im Berufsleben. Die Gehaltsverhandlung, ein wichtiger Termin mit einem Kunden, ein Auftritt beim Unternehmensevent.

Wenn scheinbar alles auf dem Spiel steht, gilt es nervenstark zu bleiben. Nervenstärke lasse sich trainieren, sagt Fabio Richlan. Der Sportpsychologe an der Universität Salzburg rät für die Bewältigung von Drucksituationen: "Es gilt zu antizipieren, dass solche Situtionen auftreten können. Dafür sollte man sich einen Plan zurecht legen."

Routine bestimmt Verhalten und Gedanken


Für die Drucksituation sollte eine Routine entwickelt werden. Diese bestimmt, worauf die Konzentration gerichtet wird: nämlich auf das, was jetzt gerade wichtig ist. Die Routine legt das Verhalten fest (Bewegungsablauf, Atemtechnik, Blickrichtung) und die Gedanken. Letztere sind entscheidend für das Selbstvertrauen. "Unter Druck zweifelt man mehr an sich selbst", weiß Richlan, "negative Gedanken sollen dann durch positive ersetzt werden." In der Vorbereitung kann man sich mit Wenn-Dann-Optionen helfen. Zum Beispiel: Wenn ich denke, ich könnte versagen, dann sage ich mir stattdessen: "Ich bin zwar nicht perfekt, aber ich gebe mein Bestes" oder "Ich habe mir das hart erarbeitet".

Richtig gute Sportler genießen Drucksituationen


Was für den einen bedrohlich ist, das ist für den anderen ein Genuss. "Profis sagen sich in Drucksituationen: Das ist der Grund, warum ich jahrelang trainiert habe", erläutert der Sportpsychologe: "Deshalb können sie diese Situationen auch genießen."

Der Kroate Luka Modrić ist im Achtelfinale mit seinem Strafstoß am dänischen Torwart gescheitert (116') und einige Minuten später wieder zum Penalty-Schießen angetreten - um dieses Mal zu treffen. Auch er hatte seine Routine, analysiert Richlan. "Wichtig ist es, die Situation vom Kontext zu entkoppeln", sagt Richlan. "Denn das Tor und der Ball und die Entfernung sind gleich geblieben – nur die Umstände sind andere. Die Routine hilft dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren."

Frühere Fehler überwinden


Die Engländer haben ihren "Elfmeter-Fluch" bei dieser WM im Achtelfinale gegen Kolumbien überwunden – auch mit Routine. Trainer Gareth Southgate habe sein Team in fast jeder Trainingseinheit Elfmeter schießen lassen, sagt Richlan. Alle Spieler, auch jene, die bei der WM höchstwahrscheinlich nicht vom Elferpunkt abziehen würden. Southgate habe alles durchchoreographiert. Wer wo stehe, wer was sage und auch woran die Spieler in den zehn Sekunden vor dem Schuss denken sollten, wurde einstudiert.

Im Achtelfinale hatte das englische Team damit Erfolg. Eine gute Routine hilft also in Drucksituationen. Generell gilt, dass oft nicht der oder die sportlich oder inhaltlich Bessere gewinnt, sondern dass mentale Stärke den Auschlag gibt.

>> Fabio Richlan

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