In Bihać gehe es drunter und drüber, erzählt Dzemila. „Es stauen sich die Flüchtlinge. Und es werden immer mehr, weil sie nicht mehr über die Grenze nach Kroatien kommen.“ Bosnien in diesen Tagen: ein Lokalaugenschein.
Ein später Abend in Tuzla, der einst florierenden Salz-Hauptstadt des Balkans, im Nordosten Bosniens. Es ist der 22. Juni 2018. Der Willkommensgruß, die frisch herausgebackenen Burek Sirnica – Faschiertes und Topfen in Blätterteig – schmecken köstlich. Zubereitet hat sie die Mutter, Dzemila, für ihre aus Wien angereiste Tochter Sabina und mich, die mitgebrachte Freundin. Wir, die Stationsschwester und die Journalistin, haben uns vor Jahren während meiner Chemo im Krankenhaus Hietzing angefreundet – wahrscheinlich auch, weil uns unterschiedliche Prüfungen im Leben verbunden haben; auch wie frau/man Ängsten begegnet.
Es ist ein zeitloses, an diesem Küchentisch subkutanes Thema. Denn über die Traumata, die persönlichen wie nationalen, haben Mutter und Tochter bislang wenig miteinander gesprochen. Die 70-Jährige und die 45-Jährige verbindet Distanz. Vielleicht auch, weil Sabina vor dem Ausbruch des bosnischen Dramas blutjung „ihrer großen Jugendliebe“ nach Wien folgte, während Dzemila, die Maschinentechnikerin, beim tyrannischen Mann, dem Ex-Militär, zurückgeblieben ist – im ganzen Unglück.