Italiens harter Migrationskurs zwingt EU-Partner zu Zugeständnissen

Italiens Innenminister Salvini hat mit seiner Politik die EU-Kollegen in Handlungsnot gebracht.
Italiens Innenminister Salvini hat mit seiner Politik die EU-Kollegen in Handlungsnot gebracht.APA/BARBARA GINDL
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Nach Malta und Frankreich hat sich auch Deutschland bereit erklärt, 50 der am Wochenende vor der italienischen Küste geretteten 450 Migranten aufzunehmen. Kritik kommt von Ex-Premier Berlusconi.

Italiens Blockadehaltung in der Migrationsfrage hat EU-Partner zu Zugeständnissen bewegt. Am Sonntag erklärte sich Deutschland wie zuvor Malta und Frankreich bereit, 50 der insgesamt 450 Migranten aufzunehmen, die am Samstag im Mittelmeer gerettet worden waren. Trotz der zugesagten Unterstützung war am Sonntag zunächst unklar, wann und wo die Geretteten an Land gehen können.

"Deutschland und Italien sind übereingekommen, dass Deutschland im Blick auf die laufenden Gespräche über eine intensivere bilaterale Zusammenarbeit im Asylbereich in diesem Fall bereit ist, 50 Menschen aufzunehmen", sagte eine Regierungssprecherin laut einer Mitteilung.

Zwei Schiffe der italienischen Marine, "La Protector" und "Monte Sperone", hatten am Samstag rund 450 Flüchtlinge aus prekärer Lage von einem Holzboot im Mittelmeer gerettet und in italienische Gewässer gebracht. Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini weigerte sich aber, sie ins Land zu lassen. Die Schiffe warteten am Sonntag weiter auf Zuweisung eines Hafens.

Salvinis Taktik schien vorerst aufzugehen. Deutschland erklärte sich bereit, 50 Flüchtlinge aufzunehmen, und nach Angaben von Regierungschef Giuseppe Conte sagten auch Malta und Frankreich bereits zu, jeweils 50 Menschen ins Land zu lassen. Über die Bereitschaft Österreichs diesbezüglich war vorerst nichts zu erfahren. Aus dem Bundeskanzleramt hieß es auf gegenüber der Austria Presse Agentur am Sonntag, im Moment gebe es nichts zu vermelden.

Der maltesische Premier Joseph Muscat führte ein telefonisches Gespräch mit Conte. Dabei bekräftigte er, dass Malta nicht für den letzten Fall des Fischerboots mit 450 Menschen an Bord verantwortlich sei, das in Richtung Italien unterwegs sei. Trotzdem habe Malta bereits signalisiert, Italien seine Hilfe anzubieten.

Post von Conte

Conte hatte in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der anderen 27 EU-Staaten "ein klares Zeichen" für Solidarität in der EU gefordert und die Bereitschaft, "die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, einen Teil der rund 450 geretteten Personen in einem Hafen zu empfangen oder sie aufzunehmen". Conte schickte seinen Brief auch an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Eine erste offizielle Absage kam am Sonntag aus Tschechien. Ministerpräsident Andrej Babis kündigte an, keine der geretteten Migranten aufnehmen zu wollen. Den italienischen Aufruf bezeichnete er als "Weg in die Hölle". Eine solche Herangehensweise motiviere Schlepper und erhöhe deren Einnahmen, erklärte Babis via Twitter.

Er rief dazu auf, den Menschen in ihren Heimatländern zu helfen, um sie von einer Flucht abzuhalten. "Wir haben im Europäischen Rat durchgesetzt, dass das Prinzip der Umverteilung freiwillig sein wird, und daran halten wir uns", sagte er. Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei hatten sich strikt gegen die Umverteilung von Flüchtlingen nach einer Quote gewehrt.

In der Migrationskrise fühlt sich Italien allein gelassen. In den vergangenen Wochen hatte die Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsgerichteten Lega schon mehrmals Schiffe mit geretteten Migranten auf dem Meer blockiert. Hilfsorganisationen wurde die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt.

Kritik von UNO und Berlusconi

Obwohl seit Monaten signifikant weniger Flüchtlinge das Land erreichen - die Vorgängerregierung hatte die umstrittene Zusammenarbeit mit Libyen im vergangenen Jahr verstärkt -, feierte die Regierung die Unterstützung der EU-Partner wie einen Durchbruch. Transportminister Danilo Toninelli von der Fünf-Sterne-Bewegung twitterte, die Regierung habe in 45 Tagen mehr Ergebnisse erzielt als in vielen Jahren zuvor. Salvini twitterte: "Willen ist Macht."

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen kritisierte die erneute Blockade. Eine "gemeinsame, vorhersehbare und wirksame Einigung", wie mit aus Seenot Geretteten verfahren werden soll, "würde Zeit sparen, das Leiden verringern und Politiker davon abhalten, in einen Wettstreit zu treten, wer am wenigsten Verantwortung übernimmt", schrieb das UNHCR auf Twitter.

Auch Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi attackierte Salvinis Flüchtlingspolitik. Der Medienunternehmer übte im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Il Giornale" (Sonntag-Ausgabe) vor allem Kritik an der "Kooperation der Tätigen", die Salvini mit Österreich und Deutschland starten will. Zudem meinte er, man dürfe das "Prinzip der Menschlichkeit" nicht aus den Augen verlieren, das in der italienischen Kultur verankert sei.

(APA/dpa)

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