Ciao bella!

Die ganze Welt redet italienisch, zumindest gelegentlich. „Ciao“ wird heuer 200 Jahre alt. Und „Bella ciao“ heißt der Sommerhit 2018.

Früher wurde am Morgen mehr geredet im Aufzug, auch in unserer Redaktion. Es gab zwar immer schon die schweigsamen Morgenmuffel, aber heute schaut jeder auf sein Handy, solange, bis die Tür in dieser Trappisten-Zelle aufgeht. Dann, wenn man sich von denen, die weiterfahren, verabschiedet, wird es auf einmal locker: „Ciao“ hat sich weitgehend durchgesetzt, „Baba“ hört man schon viel weniger. „Auf Wiedersehen“ im Lift? Geht gar nicht.

Ist ja in der Tat ein praktisches Wort, das uns die Italiener da geschenkt haben: Man kann es, ohne viel nachzudenken, beim Ankommen und Verabschieden verwenden, egal, ob man mit den anderen per Du ist oder noch „Sie“ sagt, und das Wort kommt einem in der Regel rund und schwungvoll über die Lippen. Es klingt familiär, ohne dem anderen zu nahe zu treten. Vor allem wenn man es gegen Ende lange und melodiös ausschwingen lässt, kann man damit dem grauen Morgen etwas von südlicher Folklore und lebensfreudiger Italianità spenden. Zugegeben: Ciao Giovanni klingt besser als Ciao Günther, doch das Wörtchen verträgt sich akustisch sehr gut mit den meisten Vornamen.

Die italienischen Zeitungen haben uns in diesem Sommer, der ja wie jeder Sommer viel Raum für Trivialitäten bietet, darauf aufmerksam gemacht, dass das Wort vor 200 Jahren zum ersten Mal dokumentiert wurde. Es stand in einem Brief des italienischen Autors Francesco Benedetti. Er stammte aus der Toskana, arbeitete in Mailand und schrieb 1818, man würde ihn in Mailand mit einem neuen Wort begrüßen: Ciao. Es stammte von einem alten Gruß in Venetien und Friaul, „s´ciavo“, ich bin dein Diener, dein Sklave, es hat also dieselbe Wurzel wie unser „Servus.“

Damit begann alles. Bis hin zu „Ciao ciao bambina“, einem Schlager der fünfziger Jahre, Piaggio nannte einen seiner Roller „Ciao“. Ein Lied der Partisanen aus dem Zweiten Weltkrieg hieß „Bella ciao“ und wurde zur Hymne der Linken. Ein Kämpfer verabschiedet sich damit von seiner Geliebten. Der Text ist schon hundert Jahre alt und wurde um 1900 von Landarbeiterinnen bei Bologna gesungen. Das Lied taucht in der Netflix-Serie „Haus des Geldes“ auf und wurde heuer durch El Profesor im Remix des französischen DJs Hugel der Sommerhit des Jahres. Auch die Toten Hosen nehmen es gerne in ihr Programm auf. Man hört es derzeit aber auch bei Demonstrationen gegen Matteo Salvini. Hatte ein Sommerhit je einen solchen politischen Hintergrund?

Umgekehrt, als „Ciao bella“, kennt man es auch aus unzähligen italienischen Filmen. Pizzerias auf der ganzen Welt heißen so, und man verwendet es in Italien gerne, um eine hübsche Frau anzusprechen. Der Gruß, so unverfänglich wie ihn Italiens Männer auf der Straße verwenden, hat das Zeug, auch die #metoo-Bewegung elegant zu überleben.

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