Der Verurteilte konnte flüchten, weil er nicht gefesselt war.
Wien. Nach dem gescheiterten Fluchtversuch eines erstinstanzlich zu zwölf Jahren Haft verurteilten mutmaßlichen Vergewaltigers am vergangenen Montag sind nun neue Umstände zum Tathergang bekannt geworden. Die drei Polizisten, die den indischstämmigen Zeitungszusteller vom Landesgericht in die daneben befindliche Justizanstalt Josefstadt bringen sollten, hatten den Mann gar nicht gefesselt.
Die Beamten – zwei Frauen und ein Mann – nahmen davon Abstand, dem 25-Jährigen Handschellen anzulegen, als sie in den Verhandlungssaal gerufen wurden, wo Richter Stefan Apostol eine staatsanwaltschaftliche Festnahmeanordnung bewilligt und obendrein gleich die U-Haft verhängt hatte. Weil der Mann zunächst keinen Widerstand leistete und die Beamten offenbar mit keiner weiteren Gegenwehr rechneten, begnügten sie sich damit, den 25-Jährigen an den Unterarmen zu erfassen und zur Aufzugsanlage zu dirigieren, wo der Polizist dem Mann erklärte, dass er nun ins Gefängnis überstellt würde. Auf dem Fußweg in Richtung Justizanstalt nützte der nach wie vor nicht Gefesselte die Gelegenheit, einen Fluchtversuch zu starten.
Falscher Weg ins Freie
Dabei wäre es im gegenständlichen Fall vermutlich gar nicht nötig gewesen, den 25-Jährigen aus dem Gerichtsgebäude zu bringen. Das Landesgericht ist mit der Justizanstalt verbunden, es bestehen auf verschiedenen Stockwerken mehrere Zugangsmöglichkeiten, die allerdings nur von der Justizwache genutzt werden dürfen.
Der Passant, der sich dem Inder in den Weg gestellt und den Fluchtversuch verhindert hatte, hat sich dabei möglicherweise verletzt. Er wurde von dem flüchtenden Inder mit einem Fußtritt zu Boden gebracht. (APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2018)