Das siegessichere Regime beginnt, für die zu Tode gefolterten Oppositionellen Totenscheine auszustellen. Von mehr als 80.000 Syrern, die zwischen 2011 und 2018 verhaftet wurden, fehlt jedoch nach wie vor jede Spur.
Kairo. Das letzte Mal, dass seine Mutter Islam Dabbas sah, war am 13. November 2012 in dem berüchtigten Sednaya-Gefängnis nahe Damaskus. Ihr Sohn trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Just Freedom“, wirkte krank und entkräftet, flehte seine Mutter und seinen Bruder Abdulrahman an, ihm Essen und ein paar Kleider zu bringen. Ganze zwei Minuten Kontakt erlaubten die Wächter, danach hörten Eltern und Geschwister nie mehr etwas von dem Ingenieurstudenten – bis sich nach fast sechs bangen Jahren der Ungewissheit vor ein paar Tagen plötzlich ein Beamter bei der Familie meldete.
Islam Dabbas, der den Spitznamen „Rose der Revolution“ trug, war im Juli 2011 in Daraya, einem Vorort von Damaskus, verhaftet worden. Er gehörte mit seinen Freunden Yehya und Maan Shurbaji zur Daraya-Jugend, die sich trotz der Brutalität der Sicherheitskräfte strikte Gewaltlosigkeit auf die Fahnen geschrieben hatte und den Soldaten mit Rosen in der Hand entgegentrat. Auf dem Amt in Daraya bekamen die Angehörigen jetzt Gewissheit. Islam Dabbas ist tot, wahrscheinlich hingerichtet am 15. Jänner 2013 zusammen mit den Brüdern Shurbaji. „Ganz tief im Herzen hatten wir damit gerechnet“, sagte seine Schwester Heba, die mittlerweile in Ägypten lebt. „Auch wenn wir irgendwie bis zuletzt gehofft haben, er werde wieder auftauchen, sein Studium zu Ende machen und heiraten.“