Tottenham: Der Gegenentwurf aus dem Norden Londons

Auch ohne mit Geld um sich zu werfen, ist Tottenham Hotspur höchst erfolgreich.

1,10 Milliarden Euro haben die Klubs der englischen Premier League in dieser Transferperiode schon für neue Spieler auf den Tisch gelegt. Spitzenreiter ist der FC Liverpool mit 182,2 Millionen und acht Neuzugängen, darunter Hochkaräter wie der brasilianische Teamgoalie Alisson. Manchester City hat überhaupt schon 20 neue Spieler geholt und zehn abgegeben.

Ganz am Ende dieser Liste findet sich Tottenham Hotspur wieder. Transferausgaben bisher: Null. Einzig der niederländische Mittelstürmer Vincent Janssen wurde von seinem Leih-Engagement bei Fenerbahçe Istanbul zurückbeordert. Die Londoner sind auch der einzige Klub, der noch keinen Spieler abgegeben hat. Zudem halten sich die Gerüchte in Grenzen, möglicherweise verabschiedet sich der belgische Innenverteidiger Toby Alderweireld noch von der White Hart Lane.

Der Traditionsklub aus dem Norden Londons ist der Gegenentwurf zum Transfer-Wahnsinn der neureichen Premier League. In den vergangenen zehn Jahren hat Tottenham gerade einmal einen Transfersaldo von Minus 27,13 Millionen Euro verbucht, kein Klub im englischen Oberhaus kommt an diese Zahl heran (Quelle: transfermarkt.at). Wenig überraschend: Bei den fünf weiteren Topklubs der Liga klafft in diesem Zeitraum das größte Minus (von 277,62 Mio. bei Arsenal bis 1,1 Mrd. bei Manchester City).

Mastermind. Dennoch beendete Tottenham die vergangenen drei Spielzeiten in den Top drei (Vizemeister 2017), dieses Kunststück gelang sonst keiner Mannschaft auf der Insel. Der Kader kann sich auch ohne Rekordtransfers sehen lassen, gleich neun Spieler der Spurs standen im WM-Halbfinale. Dass Tottenham-Stars wie WM-Torschützenkönig Harry Kane, Englands Zukunftshoffnung Dele Alli, Offensivallrounder Christian Eriksen oder Weltmeistergoalie Hugo Lloris allesamt Schnäppchen waren, ist vor allem Daniel Levy, 56, zu verdanken.

Der Cambridge-Absolvent, seit 2001 Vorsitzender des Klubs und damit der längstdienende der Liga, gilt als begnadeter Verhandler. Eriksen etwa kostete gerade einmal 13,5 Millionen Euro, Alli lotste er für nur 6,6 Millionen zu Tottenham. Eriksen ist inzwischen 80, Alli sogar 100 Millionen Euro wert. Und Kane, der zweifache Toptorjäger der Liga, stammt überhaupt aus dem eigenen Nachwuchs.

Für die Kontinuität im Verein steht auch Coach Mauricio Pochettino. Der 46-jährige Argentinier trainiert das Team seit 2014 und erlag auch den Lockrufen von Real Madrid noch nicht.

Dass Klubchef Levy in diesem Sommer aber noch keinen Pence für Verstärkungen in die Hand genommen hat, sorgt mittlerweile bei Pochettino und den Fans für Unmut. Levys Zurückhaltung liegt vor allem am 850 Millionen Pfund teuren „Northumberland Development Project“ mitsamt dem Stadionneubau an der White Hart Lane. Im September wird die neue 62.000-Plätze-Arena eröffnet. Transferschluss in England ist allerdings schon am Donnerstag. Tottenham ist zumindest bekannt dafür, kurz vor der Deadline noch zuzuschlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2018)

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