Schweden: Die Nacht der brennenden Autos

Burned cars are pictured at Frolunda Square in Gothenburg
Burned cars are pictured at Frolunda Square in Gothenburg(c) REUTERS (TT NEWS AGENCY)
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Vermummte Teenager haben rund 100 Fahrzeuge in Göteborg und weiteren Städten angezündet und zerstört. Die Behörden rätseln über den Grund für die Randale.

Stockholm. Einige Straßenzüge in Göteborg und weiteren Städten glichen einer regelrechten Kriegszone. Überall stiegen Flammen von brennenden Autos in den schwedischen Nachthimmel. Rund 100 Fahrzeuge wurden laut Polizei in der Nacht auf Dienstag von Jugendlichen angezündet und größtenteils fast gänzlich zerstört. Die meisten Autobrände zählte das westschwedische Göteborg. Auch in den nahe gelegen Orten Falkenberg, Trollhättan, Lysekil und Alafors brannten Autos. In Trollhättan sollen Jugendliche zudem Steine auf ausrückende Polizisten geworfen haben, wie die Zeitung „Göteborgs-Posten“ schreibt.

Aus welchen Motiven – darüber rätseln nun die schwedischen Behörden. „Das sind junge Burschen, im fortgeschrittenen Teenageralter. Sie sind kriminell und scheinen das völlig ohne Grund getan zu haben. Sie haben sich vor allem die Autos ihrer Nachbarn vorgenommen, einfach weil sie es spaßig fanden“, sagte Dan Windt, Polizeichef von Südgöteborg, dem Sender Radio Schweden.

Mehrere Jugendliche wurden identifiziert, sie sind zum Teil noch minderjährig. Sie und ihre Eltern wurden verhört. Zunächst wurden nur zwei Verdächtige verhaftet, nach einem jungen Mann wird gefahndet. Die Polizei erklärte, sie sei auf weitere Ausschreitungen vorbereitet.

Das Handyvideo eines Augenzeugen in Göteborg zeigt sieben Männer, die, gänzlich in Schwarz gekleidet und vermummt, in ruhigem Schritt von brennenden Autos weggehen. In einem anderen Video sieht man, wie eine vermummte Gruppe ganz gelassen und systematisch von Auto zu Auto geht und die Fahrzeuge anzündet.

Eine konzertierte Aktion

„Wir haben bereits am Morgen Gespräche mit den Eltern der Jugendlichen geführt, die aktiv waren. Wir entschieden uns, niemanden direkt zu verhaften, sondern sie erst einmal nur zu identifizieren“, beschreibt Ulla Brehm von der Göteborger Polizei die Deeskalationsstrategie der Ermittler.

Bereits zuvor war es, vor allem in schwedischen Einwandererstadtteilen, immer wieder zu tagelang anhaltenden nächtlichen Brandanschlägen auf Autos gekommen – allerdings nie so systematisch und in so großer Anzahl wie dieses Mal. Die Aktion soll über soziale Netzwerke zentral koordiniert worden sein. „Dass es so organisiert an so vielen unterschiedlichen Stellen gestartet wurde, spricht für sich“, sagte Brehm.

Sicherheit als Wahlkampfthema

„Ich bin richtig wütend. Meine Frage an sie lautet: Was zum Teufel macht ihr da? Wir brauchen noch mehr Ressourcen, um das zu bekämpfen“, sagte Ministerpräsident Stefan Löfven am Dienstag in Radio Schweden und wandte sich direkt an die Jugendlichen: „Ihr zerstört euch selbst euer Leben und das eurer Eltern und der Wohngegend, der Nachbarn. Darauf muss die Gesellschaft hart antworten“, sagte er. Bisher ist unbekannt, ob es sich dieses Mal bei den Jugendlichen wieder hauptsächlich um Personen mit Migrationshintergrund handelt. Schwedische Medien und die Polizei informieren aus gut gemeintem Prinzip nicht darüber: Bei Straftaten soll die ethnische Herkunft der Täter keine Rolle spielen.

Im gegenwärtigen Parlamentswahlkampf hatte der Sozialdemokrat bereits mehr Polizisten für Schweden versprochen. Integration und Sicherheit zählen zu den zentralen Wahlkampfthemen. Davon profitieren derzeit vor allem die ausländerfeindlichen Schwedendemokraten, die in Umfragen mit über 20 Prozent inzwischen zweitstärkste Kraft im Lande sind. Die Wahl findet am 9. September statt.

Die Polizei kündigte an, in den betroffenen Gebieten ihre Präsenz in den kommenden Tagen deutlich zu verstärken. Zudem sollen Sozialarbeiter die Arbeit der Sicherheitskräfte flankieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2018)

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