Ein Stück Erinnerung, aus der Erinnerung gelöscht

Vor 70 Jahren auf dem Leopoldsberg eingeweiht: Was wurde aus dem Heimkehrer-Gedächtnismal?

Was lang währte, wurde endlich Leopoldsberg, meinte ich vergangene Woche an dieser Stelle und pries die Neugestaltung des Terrains auf Wiens womöglich schönstem Aussichtsberg (geöffnet bei Schönwetter von Mai bis September täglich außer Mittwoch von neun bis 17 Uhr). Dem würde ich nichts hinzuzufügen haben, wäre da nicht diese Anstecknadel aus der Verlassenschaft meines Vaters, die in mir die Erinnerung an eine sehr spezielle Stelle der Liegenschaft wachhält: an das Heimkehrer-Gedächtnismal Leopoldsberg bei Wien.

Zugegeben: Ohne die kleine Metallplakette, auf der das Gedächtnismal aufgeprägt ist, wüsste ich nichts von seiner Existenz. Denn wer es heute sucht, wird es nicht finden: Am 12. September vor genau 70 Jahren eingeweiht, haben sich von der einst prominent positionierten, baulich markanten Anlage nur vier Steintafeln in die Gegenwart gerettet, lieb- und bezuglos unterhalb der Leopoldsberger Tore abgestellt. Der Ort ihrer ursprünglichen Platzierung, das Fundament eines Turms der ehemaligen Burganlage, ist nicht zugänglich. All das nach Auskunft aus dem Büro des Leopoldsberg-Pächters in Absprache mit Magistrat und Denkmalamt.

Kein Zweifel, neben dem Gedenken an Kriegsgefangene und Verschleppte mögen nicht nur reine Antriebe ehedem mit der Errichtung des Mals verbunden gewesen sein: Von der Beförderung des hierzulande gern gepflegten Opfermythos bis zu fragwürdigen Querverweisen auf die Befreiung von der sogenannten Türkengefahr barg es etliche mehr oder minder peinliche politische Implikationen. Ein dennoch keineswegs unbedeutendes Stück hiesiger Erinnerungskultur deshalb klammheimlich in Richtung Unkenntlichkeit fortzuentwickeln scheint allerdings auch nicht das, was Ideal heutiger Geschichtspflege sein sollte. Weder auf dem Leopoldsberg noch sonst wo in Stadt und Land.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2018)

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