„Alpbach wird nie barrierefrei sein“

Christina Riedler und Martina Goldner.
Christina Riedler und Martina Goldner.Daniel Novotny
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Behinderung. Zwei Stipendiatinnen haben ein Unternehmen gegründet, das Behinderten die Teilnahme an Veranstaltungen erleichtern soll. Auch in Alpbach gäbe es einiges zu tun.

Diversität, das sei schon ein wichtiger Begriff. Allein, meint Christina Riedler, bei Gesprächen darüber gehe es vor allem um Migration oder Geschlecht. „Und wir wollen eine Ebene hineinbringen, die viel zu kurz kommt, nämlich Behinderung.“ Die 36-Jährige hat Alpbach gerade erst als Stipendiatin bei den Wirtschaftsgesprächen kennengelernt – und hat schon einige Dinge entdeckt, bei denen sie Verbesserungspotenzial sieht. Den Blick dafür hat sie, weil sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Gollner genau darauf spezialisiert ist – gemeinsam haben sie die Firma FullAccess gegründet, die Veranstalter im Umgang mit Menschen mit Behinderung unterstützen soll.

Wobei der Begriff Behinderung von den beiden Gründerinnen recht weit gefasst wird. „Es geht auch um Behinderungen, die man nicht sieht“, sagt Gollner. „Also etwa auch psychische Krankheiten.“ Je nachdem, welche Einschränkungen Menschen haben, brauchen sie auch unterschiedliche Arten der Unterstützung. Wenn etwa jemand auf einem Musikfestival kurz davor ist, eine Panikattacke zu bekommen, brauche der Betroffene zunächst etwa einen Ort, an den er sich zurückziehen kann. Hier bieten die beiden etwa die Möglichkeit eines Rückzugsraums, in dem man von den Menschenmassen abgeschirmt ist. Beim Donauinselfest in Wien habe man bereits zweimal mitgearbeitet und dort dieses Service angeboten. Und das zusätzlich zu den Angeboten, zu denen Veranstalter ohnehin verpflichtet seien – etwa eine Rampe und eine Plattform für Rollstuhlfahrer. „Alles, was darüber hinausgeht“, sagt Gollner, „ist freiwillig.“

An wen kann man sich wenden

Aber auch diese Plattform solle bei Festivals offener sein: „Natürlich sind Rollstuhlfahrer die wichtigste Gruppe, aber es gibt sicher noch andere Gründe, warum man sich in diesem geschützten Bereich aufhalten will.“ Etwa auch Sehbehinderungen, die den Aufenthalt in großen Massen manchmal sehr anstrengend machen. Beim Donauinselfest haben die beiden dafür gesorgt, dass die Plätze auf der Plattform fair verteilt werden. Dazu gehört etwa, dass wenn es sehr eng wird, Begleitpersonen gebeten werden, den Platz für Menschen mit Behinderung freizumachen. Und das alles habe auch gut funktioniert. Besonders wichtig in ihrer Geschäftsidee sei aber, dass man sich als Ansprechpartner präsentiere. „Die Betroffenen sollen wissen, wohin sie sich wenden können, wenn sie etwas brauchen“, sagt Riedler.

Ein Problem bei der Kommunikation mit Veranstaltern sei, dass es immer noch eine Berührungsangst gebe, dass lieber nichts gesagt werde, um nur ja nichts Falsches zu kommunizieren. Ein zweites Problemfeld sei, dass es bei manchen Organisationen niemanden gebe, der für das Thema Barrierefreiheit zuständig sei. Und nicht zuletzt gehe bei Veranstaltungen, die in größeren Abständen regelmäßig stattfinden, auch immer wieder viel Wissen verloren. „Da braucht nur eine Person im Team ausgetauscht werden“, meint Riedler, „und schon ist ein Problem wieder da, das man eigentlich schon gelöst hatte.“

Nun haben es die beiden Firmengründerinnen nach Alpbach geschafft – als Stipendiatinnen, nicht als Unternehmerinnen. Wobei sie schon einige Ideen und Anregungen für das Forum hätten. „Eines ist klar“, sagt Gollner, „Alpbach wird nie barrierefrei sein.“ Die Steigungen bekomme man nicht weg, und manche Orte seien eben topografisch schwieriger. Aber darum gehe es gar nicht – „niemand erwartet komplette Barrierefreiheit“ –, sondern darum, dass man Besuchern die richtigen Infos gebe. Also etwa, welche Wege man alternativ nutzen kann.

Und da fehle es vor allem an Information. Gollner, selbst schwer sehbehindert, fehlen zum Beispiel Übersichtspläne, wie man an welche Veranstaltungsorte gelangen kann. Im Congress Centrum müsse sie sich zeitweise von Saalbeschriftung zu Saalbeschriftung vorarbeiten. Und um eine solche Veranstaltung barrierefreier zu machen, gehöre auch dazu, dass man schon im Vorhinein herausfinden kann, ob man eine bestimmte Begleitperson braucht, also etwa eine kräftige Person, die einen Rollstuhl auch über Steigungen schieben kann. Oder auch, dass man für die Umgebung das richtige Hilfsmittel dabei hat – zum Beispiel einen Outdoor-Rollstuhl.

Von Rapid Diversität lernen

Abgesehen von Vorschlägen, die sie haben, sind die beiden aber vor allem als Stipendiatinnen hier. Und in dieser Rolle haben sie schon einige Dinge erlebt, die sie persönlich weitergebracht haben. Also viele neue Kontakte, vor allem im Bereich von Gründerinnen, aber auch konkrete Ideen. Besonders hilfreich sei etwa eine Breakout-Session gewesen, in der am Beispiel von Rapid die Diversität in Teams thematisiert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2018)

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