Mann starb nach Streit in Köthen: "Wir werden Trauer in Wut" umwandeln

APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einer Instrumentalisierung des Falls. "Bei aller Emotionalität ist jeder Versuch zurückzuweisen, aus Köthen, wie es im Internet heißt, ein zweites Chemnitz machen zu wollen."

Nach einem Streit zwischen zwei Männergruppen in Köthen in Sachsen-Anhalt ist ein 22 Jahre alter Mann gestorben. Zwei Afghanen im Alter von 18 und 20 Jahren wurden festgenommen. Bei dem Toten handelte es sich um einen deutschen Staatsbürger. Angesichts der Erfahrungen von Chemnitz hatte sich die Polizei auf Proteste eingestellt und Verstärkung unter anderem aus Niedersachsen und Berlin erhalten. Der 22-Jährige starb nach Angaben der Polizei an akutem Herzversagen. Dieses stehe nicht "im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen", teilte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost am Sonntagabend mit Blick auf das vorläufige Obduktionsergebnis mit.

Über die beiden Verdächtigen wurde am späten Sonntagabend U-Haft verhängt. Heute Vormittag wollen die Behörden weitere Erkenntnisse mitteilen. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht und Justizministerin Anne-Marie Keding (beide CDU) haben für 11.30 Uhr zu einer Pressekonferenz in Magdeburg eingeladen.

Rechte Gruppierungen mobilisierten im Web

Nach stillem Beginn war es bei der Kundgebung zwischenzeitlich aggressiver geworden. "Dies ist ein Tag der Trauer. Aber wir werden die Trauer in Wut verwandeln", sagte ein Redner am Sonntagabend auf dem Spielplatz, auf dem es am Vorabend zu dem Streit zwischen zwei Männergruppen gekommen war. "Widerstand", "Auge um Auge", "Zahn um Zahn" und "Wir sind das Volk" erschallte es aus dem Kreis der rund 500 Menschen, von denen viele Aufrufen rechter Gruppierungen in sozialen Netzwerken gefolgt waren. Andere skandierten "Lügenpresse". Als ein Beobachter die Szenerie mit einem Handy filmte, wurde er geschubst, die Polizei griff schnell ein. Mehrere Teilnehmer betonten, dass sich nicht nur Rechte zu dem Marsch versammelt hätten.

Eine junge Frau sagte, sie dachte, Chemnitz sei weit weg - "aber Pustekuchen". Anschließend endete die Kundgebung am Spielplatz.

Opfer war möglicherweise herzkrank

Gegen den 18 Jahre alten Verdächtigen werde wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt, gegen den 20-Jährigen wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Nach Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" hatte der 22-Jährige eine kardiologische Vorerkrankung. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Zu den Hintergründen des Geschehens in der Stadt, die gut 26.000 Einwohner hat, und zu den Abläufen während des Streits am späten Samstagabend nannten die Ermittler keine Details und verwiesen auf die andauernden Befragungen.

Streit um mögliche Vaterschaft

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war es auf einem Spielplatz zu einem Streit zwischen mehreren Männern gekommen. Drei aus Afghanistan stammende Männer sollen zunächst mit einer Frau dort darüber gestritten haben, von wem sie schwanger ist. Dann sollen der 22-jährige Deutsche und ein Begleiter hinzugekommen sein. Am Ende war der 22-Jährige tot. Gegen den dritten aus Afghanistan stammenden Mann gibt es nach dpa-Informationen keinen Verdacht, er wurde nicht festgenommen.

Nach unbestätigten Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" soll einer der beiden Verdächtigen eine Aufenthaltserlaubnis haben, der zweite hingegen sollte eigentlich bereits abgeschoben werden. Das wurde der Zeitung zufolge bisher verhindert, weil gegen ihn die Staatsanwaltschaft wegen gefährlicher Körperverletzung ermittle.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einer Instrumentalisierung des Falls. "Bei aller Emotionalität ist jeder Versuch zurückzuweisen, aus Köthen, wie es im Internet heißt, ein zweites Chemnitz machen zu wollen", sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Die Teilnehmer eines sogenannten Trauermarsches, zu dem rechte Gruppierungen aufgerufen hatten, zogen schweigend und ohne Transparente oder Spruchbänder durch die Straße in Richtung des Spielplatzes. Dort legten Teilnehmer Blumen nieder und zündeten Feuerzeuge an.

Demo gegen rechte Hetze

Zuvor hatten rund 50 Menschen gegen rechte Hetze demonstriert. Sie waren dem Aufruf der Linken-Politikerin Henriette Quade gefolgt und hatten sich am Bahnhof der Stadt versammelt. "Wo sich der Mob formiert, funken wir dazwischen", war auf Spruchbändern zu lesen.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht rief zur Besonnenheit auf. Er habe vollstes Verständnis für die Betroffenheit der Bürger, sagte der CDU-Politiker der dpa. Der Rechtsstaat werde alle Mittel konsequent einsetzen, Justiz und Polizei ermittelten in enger Abstimmung. "Der tragische Tod des jungen Mannes geht mir sehr nahe, und ich bedaure das Geschehene zutiefst", sagte der Innenminister weiter.

Die Evangelische Landeskirche Anhalts will in Köthen Spenden für die Bestattung des Opfers sammeln. Die Sammlung begann mit einer Trauerandacht am Sonntagnachmittag und sollte noch einige Tage dauern. Zu der Andacht kamen etwa 300 Menschen, darunter auch mehrere Politiker. "Der Tod eines Menschen ist der schlechteste Anlass für eine Instrumentalisierung", sagte Kirchenpräsident Joachim Liebig.

In Chemnitz war vor zwei Wochen ein 35-jähriger Deutscher getötet worden. Zwei junge Männer sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Sie stammen nach eigenen Angaben aus Syrien und dem Irak. Ein weiterer Verdächtiger wird gesucht. Seitdem gibt es in Chemnitz immer wieder fremdenfeindliche und teils aggressive Proteste. Tausende Menschen demonstrieren seither auch gegen rechte Hetze und für Toleranz.

(APA/DPA)

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