EU will US-Sanktionen umgehen

Der deutsche Finanzminister, Olaf Scholz, und seine Kollegen suchen Lösungen.
Der deutsche Finanzminister, Olaf Scholz, und seine Kollegen suchen Lösungen.APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Deutschland, Frankreich und Großbritannien arbeiten an einem Plan, um mit dem Iran weiter Geschäfte machen zu können. Mithilfe einer Tauschbörse soll das möglich werden.

Wien. Die USA werden ab November mit den „schärfsten Sanktionen aller Zeiten“ gegen den Iran vorgehen. Im Sinne der europäischen Unternehmen ist das nicht, viel lieber würden sie weiterhin mit dem Iran Handel treiben. Das ist auch der Grund, weshalb Deutschland, Frankreich und Großbritannien dabei sind, an einem Plan zu basteln, mit dessen Hilfe sie die US-Sanktionspolitik umgehen können.

Und der ist recht ausgeklügelt: Die Idee ist, das Iran-Geschäft vom globalen Finanzsystem gänzlich abzukoppeln. Das soll mit einer Art Tauschbörse funktionieren: Derzeit wird in Berlin und Brüssel geprüft, ob es Sinn hat, eine Zweckgesellschaft, ein sogenanntes Special Purpose Vehicle (SPV), zu gründen. Ganz bewusst soll das neue Institut keine Bank sein, was den Vorteil hat, es auch nicht mit Kapital ausstatten zu müssen.

Zweckgesellschaft notwendig

Laut Informationen des deutschen „Handelsblatts“ und des „Spiegels“ soll es dazu dienen, „grenzüberschreitende Zahlungen von und nach Iran zu bündeln und zu reduzieren“, wie es in einem Papier der EU-Kommission heißt. Eine Zweckgesellschaft „könnte die Rolle der Geschäftsbanken im Zahlungsverkehrssystem vermeiden oder stark einschränken und den Zahlungsverkehr mit dem Iran vor Sanktionen in den USA schützen“, liest man weiter. Die neue Einrichtung soll allen Mitgliedstaaten der EU offenstehen und Signal europäischer Souveränität sein.

Konkret haben sich die Finanzminister Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs folgende Details überlegt: In einer Clearingstelle sollen Forderungen von iranischen und europäischen Unternehmen miteinander verrechnet werden. Wenn der Iran etwa Öl nach Spanien liefert und ein deutscher Maschinenbauer eine Fabrik in Teheran ausstattet, könnte das Geld, das eigentlich aus Spanien an den Iran fließen müsste, verwendet werden, um die Rechnung des deutschen Maschinenbauers zu begleichen. Auf diese Weise kann es gelingen, US-Sanktionen zu umschiffen.

Nach derzeitigen Überlegungen könnte die Clearingstelle nach luxemburgischen Recht gegründet werden und das Herzogtum gleich auch der Standort dafür sein. Möglicherweise wird die EU-Kommission die Gründung schon bald in die Wege leiten. In diesem Fall wären alle EU-Mitgliedstaaten als Anteilseigner beteiligt. Alternativ wäre denkbar, dass die Initiative von einigen Mitgliedstaaten ausgehe, hieß es aus Brüssel. Ein solches Tauschkonstrukt sei der einzige Weg, Handelskanäle in den Iran offenzuhalten. In den vergangenen Monaten habe man bereits andere Möglichkeiten geprüft – und wieder verworfen.

Eines scheint jedoch noch gänzlich offen zu sein, nämlich wie sich die Zweckgesellschaft finanzieren soll. So könnten die Europäische Investitionsbank und die Förderbanken großer Mitgliedstaaten dort Kapital einbringen oder Bürgschaften übernehmen.

Geeintes Widersetzen

In der Vergangenheit ist die EU selten so geeint gegen die US-Politik vorgegangen. Sie betrachtet die Sanktionen Washingtons als Angriff auf ihre Souveränität, denn Donald Trump setzt seine Sanktionsinstrumente immer aggressiver ein. So hat er sich mit den Europäern vor seiner Entscheidung in keiner Weise abgestimmt, sondern setzt voraus, dass sie seine Politik mittragen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Deutschland.

Ob die geplante Tauschbörse überhaupt funktionieren kann, ist derzeit noch offen und hängt vor allem davon ab, wie viel Öl der Iran künftig exportieren kann. Kann er nicht genug exportieren, gibt es nämlich nichts, womit die Europäer tauschen könnten. (ag/hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)

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