ÖH: „Denke nicht, dass uns die Regierung beschneiden will“

Johanna Zechmeister ist Teil des ÖH-Vorsitzteams. Bis Juni war die 28-jährige Medizinstudentin Vorsitzende. Nun ist es Hannah Lutz (VSStÖ). Marita Gasteiger (Gras) ist erste Stellvertreterin und Zechmeister zweite.
Johanna Zechmeister ist Teil des ÖH-Vorsitzteams. Bis Juni war die 28-jährige Medizinstudentin Vorsitzende. Nun ist es Hannah Lutz (VSStÖ). Marita Gasteiger (Gras) ist erste Stellvertreterin und Zechmeister zweite.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Johanna Zechmeister vom Vorsitzteam der Hochschülerschaft spricht über Schreckensprüfungen im Studium, das sinnlose Verfassen von Motivationsschreiben, die (wenigen) Schlagzeilen der ÖH und den konstruktiven Wissenschaftsminister.

Die ÖH-Spitze kündigte bei Amtsantritt an, lauter werden zu wollen. Gehört hat man nicht viel. Warum?
Johanna Zechmeister: Wir haben uns sehr bemüht. Wir haben viele Zugriffe auf unserer Webseite, wir haben Plakate geklebt, Mitmachaktionen initiiert und eine Kampagne gegen Studiengebühren gestartet. Wir sind stark aufgetreten und wurden auch stark wahrgenommen. Aber als ÖH schaffen wir es natürlich nicht, jeden Tag eine Schlagzeile zu produzieren. Das ist aber auch nicht unsere Aufgabe.

Angesichts dessen, dass der linken ÖH-Spitze nun eine türkis-blaue Regierung gegenübersteht, hätte man sich schon lauteren Widerstand erwartet.
Die Kampagne gegen Studiengebühren war für uns am wichtigsten. Hier haben wir innerhalb kürzester Zeit hunderte Studierende auf die Straße gebracht. Dass das nicht bei jedem Thema so super funktioniert hat, ist uns auch klar.

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann sagte doch, dass Studiengebühren auf seiner Prioritätenliste ganz hinten stehen. Hat die ÖH das falsche Schreckgespenst an die Wand gemalt?
Die Einführung der Studiengebühren war schon dieses Semester geplant. Doch wir haben Widerstand angekündigt. Die Regierung hat gesehen, dass es mit uns kein Zuckerschlecken wird, das war sicher einer der Gründe, weshalb der Minister dann sagte, dass er die Studiengebühren nicht gleich umsetzen möchte.

Der Wissenschaftsminister war zuvor Vizerektor der Universität Wien. Ist das gut für die Studierenden?
Minister Faßmann ist sehr konstruktiv. Er kennt sich gut aus, geht aktiv auf uns zu und hat Zeit für die ÖH. Das hat bei seinem Vorgänger nicht so gut geklappt.

Im Koalitionspakt steht, dass sich die Hochschülerschaft nur noch um Beratung der Studierenden und nicht um allgemeine Politik kümmern soll. Außerdem soll die ÖH stärker kontrolliert und sanktioniert werden können. Klingt das nicht nach einer Drohung?
Das stimmt. Ich denke aber nicht, dass die Regierung uns jetzt abschaffen oder beschneiden will, immerhin arbeiten wir sehr gut zusammen.


Die Gefahr, dass die Hochschülerschaft, wie es hieß, an die Kandare genommen wird, ist also gebannt?
Nicht zu hundert Prozent.

Weshalb ist man dann so leise?
Momentan ist die Zusammenarbeit sehr gut. Die loben uns immer wieder. Deshalb glaube ich nicht, dass diese Umstellung geplant ist.

Wo soll das allgemeinpolitische Engagement der ÖH aufhören?
Das ist eine gute Frage. Wir versuchen die Studierenden dort zu vertreten, wo sie auch sind, und wollen uns nicht um alle Probleme der Welt kümmern. Wir waren aber schon immer eine wichtige kritische Stimme und das werden wir auch bleiben.

Kümmern will sich die Hochschülerschaft um bessere Studienbedingungen. Wo drückt denn der Schuh?
An vielen Stellen: beim Budget, bei den Betreuungsrelationen, bei der Qualität im Studium. Wir wollen nun mit der Universitätenkonferenz die Rahmenbedingungen verbessern: Es geht um die Orientierung vor dem Studium, um Anrechenbarkeiten zwischen den Studien und um den Informationsfluss zwischen Studenten und Unis.

Wie kann die Orientierung vor dem Studium verbessert werden?
Es braucht mehr Infos in den Schulen – nicht in der Maturaklasse, sondern bereits davor. Wir plädieren für die Verankerung von Orientierungsangeboten in den Pflichtcurricula und einen Bildungsbeauftragten in Schulen. Außerdem sollten die Schüler das Studieren probieren.

Viele Studierende brechen das Studium ab. In Jus liegt die Drop-out-Quote sogar bei 72 Prozent. Woran liegt das?
An vielen Dingen. Manchmal entspricht das Studium nicht dem, was man sich vorgestellt hat. Manchmal kommen Studienanfänger mit dem System nicht zurecht. Und manchmal liegt es auch an finanziellen Schwierigkeiten. Damit die Drop-outs sinken, fordern wir von den Unis, dass sie auf Studenten, die einen Abfall in ihren ECTS-Leistungen haben oder kurz vor dem Studienabschluss aufgeben, aktiv zugehen. Oft sind die Studierenden berufstätig oder haben Betreuungspflichten. Ihnen wäre schon mit Lehrveranstaltungen in Randzeiten geholfen. Da braucht es ein Entgegenkommen. Das ist eine Win-win-Situation. Die Studenten können das Studium doch noch abschließen und die Unis haben höhere Absolventenquoten.

Haben Sie das Gefühl, dass manche Professoren hohe Durchfallquoten als Renommee für ihr Fach sehen?
Sollte es so sein, wäre es sehr schade. Wenn 90 bis 100 Prozent durchfallen, habe ich als lehrende Person versagt.

Wird man oft hinausgeprüft?
Es gibt in jedem Fach Schreckensprüfungen. Oft sind die am Ende eines Studiums. Bis dahin haben Studierende viel Zeit und Energie und die Uni sehr viel Geld in die Ausbildung gesteckt. Das ist eine Katastrophe für alle Beteiligten. Das wollen wir ändern. Das heißt aber nicht, dass die Studierenden durch das Studium getragen werden sollen und ihnen alles auf dem Silbertablett serviert werden soll.

Die Regierung hat eine neue Studienplatzfinanzierung und damit weiter Zugangsbeschränkungen eingeführt. Sind Auswahlverfahren vor dem Studium zwingend schlecht?
Das System hat sehr viele Nachteile. Zugangsbeschränkungen bauen eine Hürde auf. Deshalb floriert der Markt von kostenpflichtigen Vorbereitungskursen. So hält man Menschen vom Studieren ab.

Es können nun in allen Fächern Motivationsschreiben verlangt werden. Ist es nicht gut, dass sich Studierende vor dem Studium damit auseinandersetzen?
Motivationsschreiben sind nicht nur Arbeit für die Studierenden, sondern auch für die Unis. Wer soll denn das lesen? Als Student fehlt mir da die Motivation, eines zu schreiben. Es wäre besser, in die Vorbereitung und Orientierung zu investieren, als Motivationsschreiben zu kontrollieren.

("UniLive", Print-Ausgabe, 26.09.2018)

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