Abnorme Rechtsbrecher: "Einweisungsvoraussetzungen müssen sich ändern"

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SymbolbildClemens Fabry / Die Presse
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Die "Plattform Maßnahmenvollzug" ortet einen "dramatischen Reformbedarf" bei der Unterbringung von Menschen, die unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen haben.

Überprüfbare Therapiekonzepte, eine Patienten-Vertretung für Betroffene, Mindeststandards bei psychiatrischen Gutachten und die Beseitigung von groben Mängeln in der Nachbetreuung hat die "Plattform Maßnahmenvollzug" bei einer Pressekonferenz in Wien gefordert. "Grundsätzlich müssen sich die Einweisungsvoraussetzungen für den Maßnahmenvollzug ändern", verlangte Obmann Markus Drechsler.

Der sperrige Begriff "Maßnahmenvollzug" betrifft Menschen, die unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen haben und in einer geschlossenen Anstalt (oder geschlossenen Abteilung) untergebracht werden.

Mit Stichtag 1. Juni wurden österreichweit 996 straffällig gewordene Personen vorläufig angehalten bzw. waren ihm Maßnahmenvollzug untergebracht, weil sie entweder als zurechnungsunfähig (§21 Absatz 1 StGB) oder aufgrund ihrer geistig-seelischen Verfassung als gefährlich eingestuft wurden (§21 Absatz 2 StGB). Am 1. September waren es bereits 1011. Dass sich darunter auch Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 21 Jahren befinden, kritisierte Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie scharf. Nicht Volljährige hätten im Maßnahmenvollzug nichts verloren.

Zehn Insassen unter 18

Derzeit sitzen acht Burschen und zwei Mädchen, die noch keine 18 sind, im Maßnahmenvollzug. Beide weibliche Jugendliche gelten als zurechnungsunfähig. Bei den Burschen werden sieben zeitlich unbefristet festgehalten, weil sie von Psychiatern als derart gefährlich angesehen werden, dass von ihnen wieder strafbare Handlungen mit schweren Folgen zu befürchten sind. Einem wird Zurechnungsunfähigkeit bescheinigt. "Aus wissenschaftlicher Sicht ist es fraglich, ob Persönlichkeitsstörungen bei Jugendlichen überhaupt diagnostiziert werden können", gab Beclin zu bedenken.

Was die jungen Erwachsenen betrifft, sitzen aktuell 27 männliche und vier weibliche Insassen in der Maßnahme, davon zehn bzw. zwei aufgrund einer ärztlich bescheinigten Zurechnungsunfähigkeit. Um überhaupt in eine Sonderstrafanstalt eingewiesen werden zu können, ist ein mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohtes Anlassdelikt erforderlich. Die "Plattform Maßnahmenvollzug" verlangt, dass diese Grenze auf mit mehr als drei Jahren bedrohte Verbrechen erhöht wird und psychisch Kranke damit nicht mehr wegen gefährlicher Drohung oder Widerstands gegen die Staatsgewalt in die Maßnahme kommen können.

APA

"Fehlsteuerung" bei Nachsorge

Die Leiterin der Drogenambulanz am Wiener AKH, Gabriele Fischer, bezeichnete es als "Skandal", dass junge, in den Maßnahmenvollzug eingewiesene Patienten mitunter in Alters- oder Pflegeheimen "geparkt" werden, wie sie sich ausdrückte. Weil Nachbetreuungseinrichtungen fehlen, werde in etlichen Fällen die bedingte Entlassung aus der Maßnahme nicht vorgenommen, obwohl an sich die dafür vorgesehenen Voraussetzungen längst vorlägen. Hinsichtlich der Nachsorge gebe das Justizministerium "nicht wenig Geld aus, aber es gibt eine Fehlsteuerung", sagte Fischer, die insgesamt einen "dramatischen Reformbedarf" ortete.

(APA/Red.)

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