Von Verkehrsregeln

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In einer Seitengasse der Mariahilfer Straße sehe ich einen Mann, dessen Selbstsicherheit ich ehrlich gesagt auch gern hätte.

In einer Seitengasse der Mariahilfer Straße sehe ich einen Mann, dessen Selbstsicherheit ich ehrlich gesagt auch gern hätte. Der Mann trägt witzige bunte Kleidung, sein Hemd ist gestreift, seine Jacke kariert, er hat einen Hut auf und Cowboyschuhe an, er sieht irgendwie aus wie ein in Simmering aufgewachsener Terence Hill. Man könnte ihn auch so beschreiben: Der Mann ist ganz offensichtlich kein Polizist. Warum steht er dann mit seiner Trillerpfeife an der Straßenecke und hält vom Gehsteig aus mit ausladenden Handbewegungen entweder vorbeifahrende Autos an, um Fußgänger über den Zebrastreifen zu lassen, oder umgekehrt? Hat ihn jemand beauftragt? Oder schickt er von sich aus komplett unlogisch Leute hin und her? Was weiß ich, vielleicht hat man als Terence Hill solche Tage, an denen man sagt, jetzt gehe ich rüber zur Ecke Stiftgasse und regle den Verkehr. Denn das war ja das Merkwürdige an dieser Situation: Alle Verkehrsteilnehmer haben das getan, was der Mann mit Cowboystiefeln gepfiffen hat. Wir sind schon eine lustige Spezies.

Überhaupt nicht lustig ist das, was manche Autofahrer unter Verkehrsteilnahme verstehen. Zum Beispiel beobachte ich an einer bestimmten Straßenecke, die ich morgens auf dem Weg zur Arbeit mit dem Rad passiere, sehr oft, wie sich die Fahrer mit dem Handy die Zeit vertreiben, wenn die Ampel auf Rot geschaltet ist. Dann schaltet sie um – und die Lenker düsen los, während der Blick noch am Handy haftet. Es ist wirklich ein Rätsel: Wie haben diese Leute überhaupt gesehen, dass die Ampel grün ist? Als Radfahrer ist man da ja weniger transzendental, daher soll man zwecks Unfallvermeidung stets den Blickkontakt zu den Autofahrern suchen, aber meinen Blick erwidert in diesem Bermudadreieck wirklich absolut niemand. Ein anderer Radler, der ganz ahnungslos vor mir fuhr, ist kürzlich fast über den Haufen gefahren worden. „Hearst Trottel“, hat er den Lenker wutentbrannt angeschrien, „was ist mit dir, du Trottel, du blöder, bist du vegan oder was?“ Terence Hill steht eindeutig an der falschen Straßenecke.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2018)

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