Illegale Adoptionen in Spanien: Arzt muss sich nicht verantworten

Inés Madrigal brachte Eduardo Vela vor Gericht
Inés Madrigal brachte Eduardo Vela vor GerichtAPA/AFP/JAVIER SORIANO
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Der Gynäkologe Eduardo Vela soll Babys gestohlen und an unfruchtbare Paare weitergegeben haben. Die Fälle sind jedoch verjährt, urteilte ein Gericht in Madrid.

Eduardo Vela, 85 Jahre alt, muss nicht ins Gefängnis. Im ersten Prozess um den Diebstahl von Babys während der Franco-Diktatur in Spanien ist ein ehemaliger Arzt schuldig gesprochen worden. Das Gericht in Madrid verzichtete am Montag aber auf eine Verurteilung des ehemaligen Frauenarztes Eduardo Vela, weil die Vorwürfe gegen den 85-Jährigen verjährt sind.

Die Klägerin Ines Madrigal, die als Baby ihrer Mutter weggenommen und von Adoptiveltern aufgezogen wurde, will das Urteil anfechten.

Vela war angeklagt, die heute 49-jährige Madrigal nach ihrer Geburt im Jahr 1969 der leiblichen Mutter weggenommen und sie einer anderen Frau gegeben zu haben, die keine Kinder bekommen konnte. Die Staatsanwaltschaft hatte elf Jahre Haft für den 85-Jährigen wegen Urkundenfälschung, Freiheitsberaubung und illegaler Adoption gefordert.

Während des Prozesses bestritt Vela den Vorwurf, Madrigals Geburtsurkunde gefälscht und ihre Adoptivmutter als leibliche Mutter eingetragen zu haben. Er gab an, sich an die Vorgänge im San-Ramon-Krankenhaus in Madrid fast nicht erinnern zu können. An der mittlerweile geschlossenen Klinik soll es tausende solcher Fälle gegeben haben.

Verjährungsfrist liegt bei zehn Jahren

Das Gericht sah die Vorwürfe gegen den früheren Arzt als erwiesen an. Vela habe die ihm vorgeworfenen Taten "alle" begangen, urteilten die Richter. Vela habe etwa "mit eigener Hand beurkundet", dass Madrigals Adoptivmutter Ines Perez im Juni 1969 eine kleine Tochter zur Welt gebracht habe, "was niemals stattgefunden hat".

Madrigal hatte erst 1987 nach ihrem 18. Geburtstag erfahren, dass sie adoptiert worden war. Für den schwerwiegendsten Vorwurf der Freiheitsberaubung liegt die Verjährungsfrist bei zehn Jahren. Madrigal schöpfte aber erst 2010 Verdacht, dass sie ein gestohlenes Baby sein könnte, und reichte 2012 ihre Klage ein.

Madrigal sagte nach der Gerichtsentscheidung, sie fühle sich "hin- und hergerissen". Sie sei froh über den Schuldspruch, habe aber nicht mit einem Freispruch wegen Verjährung gerechnet. Madrigal kündigte an, den Fall vor das Oberste Gericht Spaniens zu bringen.

Vela war bereits 1982 kurz von der Polizei befragt worden, nachdem eine Zeitschrift Interviews mit Frauen veröffentlicht hatte, die einen Diebstahl ihrer Babys nach der Geburt im San-Ramon-Krankenhaus vermuteten. Die Ermittlungen waren zunächst aber ohne Folgen geblieben. Nach dem Jahr 2000 waren dann weitere Fälle gestohlener Babys bekannt geworden.

Babys an regimetreue Familien

Historiker und Aktivisten vermuten, dass unter der rechten Militärdiktatur von General Francisco Franco Zehntausende Babys ihren leiblichen Eltern gestohlen wurden. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) traf dies vor allem regierungskritische Eltern. Später wurde die Praxis auch auf uneheliche Kinder und Kinder von Armen ausgeweitet.

Die Familien, die die Kinder bekamen, waren meist regimetreu, konservativ und katholisch. Selbst nach Francos Tod 1975 und dem Übergang zur Demokratie wurde der Diebstahl von Babys noch bis mindestens 1987 fortgesetzt. Mehr als 2000 Fälle wurden zur Anzeige gebracht, die meisten wurden aber wegen Verjährung eingestellt.

Die jahrzehntelange Praxis der illegalen Adoptionen wird in Spanien erst in jüngerer Zeit öffentlich diskutiert. Es ist auch nicht leicht, die Fälle aufzuarbeiten, da der Name der leiblichen Mutter oftmals nicht auf der Geburtsurkunde aufscheint. Darüber hinaus ist auch die katholische Kirche in die Adoptionen verwickelt, da viele betroffenen Spitäler von ihr betrieben wurde. Nonnen und Priester sollen auch Wartelisten für die Paare verfasst haben, schreibt die BBC.

(APA/red.)

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