Ein Rezept für ein gutes Österreich

Nach vielen Rückblicken im Gedenkjahr wird es am Nationalfeiertag einmal Zeit, nach vorn zu schauen: Wie könnte es denn in etwa ausschauen, ein Österreich, das wir sein wollen?

Ein Land, eine Nation ist immer nur so gut, so stark, wie ihre Menschen, ihre Individuen es sind. Das angebliche Kollektiv mag sich ins Gedächtnis einbrennen, entscheidend für die Gesellschaft sind aber die Taten Einzelner mindestens ebenso sehr; meist erfolgt der Anstoß für Großes in jede mögliche Richtung (oft auch ungewollt) durch Einzelne. Der Maxime „Was kannst du für dein Land tun – nicht: Was kann dein Land für dich tun?“ folgend, geben manche Menschen ein gutes Beispiel für alle anderen.

Das Wörtchen Vorbild kennen wir aus der Schule für den Streber, der in der Klasse wenig beliebt ist, aber dafür den Lehrern gefällt. Die ungeliebten Leistungsbereiten finden in anderen Kulturen übrigens bei Weitem mehr Anerkennung als in unserer Wochenendgesellschaft. Verwenden wir also lieber den Begriff Beispielcharakter. Was sind das für Menschen, die einen Schritt mehr setzen als andere? Allen gemein ist eine Sache, für die sie brennen: Wirtschaft, Sport, Kultur, karitatives Engagement, um nur ein paar mögliche Betätigungsfelder zu nennen. „Die Presse“, die sich als Medienhaus immer zur Eigenverantwortung als Schlüssel zu einem geglückten Leben bekannt hat, zeichnet mit der „Austria“ nicht zufällig in der Nachbarschaft des Nationalfeiertags Menschen des Jahres aus. Und will damit aufzeigen, wie das Mosaik aus vielen ein Ganzes ergibt, das Österreich heißt.

Zum Nationalfeiertag gibt es von allen Seiten gern viel Salbungsvolles zu hören, garniert mit ein paar Fähnchen und Panzern, was in Summe aber nie mehr als ein Rückblick auf längst Vergangenes ist. Unsere Preisträger der Austria'18 hingegen verkörpern durchwegs Eigenschaften, die handlungsanleitend für die Gestaltung eines modernen Österreich sind.

Da wäre als Erstes der Blick – nein, nicht über den Tellerrand, weil Österreich kein Teller ist, auch wenn uns die Kulinarik angeblich so nahe ist, sondern aus der Schneekugel, die Österreich viel besser beschreibt: irgendwie heimelig, die Geräusche der Welt hört man drinnen nur gedämpft, und so lässt es sich ziemlich gemütlich in der guten Stube einrichten. Doch Menschen wie Stefan Sagmeister, Preisträger in der Kategorie Erfolg international, wollen sich damit nicht zufriedengeben. Sie wollen die rot-weiß-rote Komfortzone verlassen, neugierig sein und sich dann mit den Besten messen. Nur zurück daheim in der Schneekugel wird es ihnen immer noch schwer gemacht.

Doch diese Prise Sagmeister in der Österreich-Mischung der Zukunft hat ihr Pendant in jener Spielart des Konservativen, die nicht das Beharren betont, sondern die Wurzeln, die Erfahrung und bereit sowie in der Lage ist, sein Leben lang einem inneren Kompass zu folgen. Helga Rabl-Stadler, ausgezeichnet in der Kategorie Kulturerbe, ist so eine Konservative, die mehr Steine als die meisten umgewälzt hat, die sich gern das Label progressiv verpassen.

Ein weiteres Erfolgsrezept für ein Österreich, das zum Nationalfeiertag nach vorn blickt, ist unbestritten die Nische. Ein kleines Land wird unmöglich in allen Bereichen vorn dabei sein können, aber sehr wohl dort, wo es konzentriert mit den Allerbesten mithalten und diese übertreffen kann. Dafür steht Infineon-Chefin Sabine Herlitschka als Gewinnerin in der Kategorie Unternehmen mit Verantwortung.

Vieles spricht dafür, dass ganz Europa und auch Österreich gerade dabei sind, ins Hintertreffen zu geraten, bei allem, was unter „irgendwas mit .0“ firmiert. Da beruhigt es uns, dass Forschungspreisträger Sepp Hochreiter schon am übernächsten großen Ding forscht, der künstlichen Intelligenz, die die analoge und alles, was wir so an Gewissheiten haben, auf den Kopf stellen dürfte.

Doch auch wenn Maschinen vielleicht bald denken können wie wir, wird unsere Aufmerksamkeit mehr denn je dem Stückchen Erde gelten müssen, das uns anvertraut worden ist. Rudolf Freidhager und Georg Schöppl von den Österreichischen Bundesforsten, die den Preis in der Kategorie Familie und Beruf erhalten haben, stehen für diesen Gedanken des nachhaltigen Umgangs mit unserem – ja nennen wir es ruhig konservativ: Erbe.

Für diese Form der Achtsamkeit steht auch der Sieger in der Kategorie Humanitäres Engagement, Werner Waldmann von den Austrian Doctors. Denn am Umgang mit anderen Menschen, in einer Situation der knapper werdenden Ressourcen, wird letztlich gemessen werden, wie dieses Bild von Österreich dann ausfällt.

Nicht nur am Nationalfeiertag.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2018)

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