Tunesien: Attentat auf Polizei erschüttert Tunis

Spurensuche am Tatort. Tunesische Polizisten untersuchen den Anschlagsort im Zentrum der Hauptstadt.
Spurensuche am Tatort. Tunesische Polizisten untersuchen den Anschlagsort im Zentrum der Hauptstadt.(c) REUTERS/ (TAREK AMARA)
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Eine Frau sprengt sich in der Flanierstraße der Hauptstadt in die Luft und verletzt mehrere Polizisten. In Tunesien fürchtet man negative Auswirkungen auf die Tourismuswirtschaft.

Tunis. Es war ein lauter Knall, der am Montag das Zentrum der tunesischen Hauptstadt erschütterte. Im Herzen von Tunis hatte sich eine Selbstmordattentäterin in die Luft gesprengt. Nach ersten Angaben des Innenministeriums wurden neun Personen verletzt, acht davon Polizisten. Die Attentäterin kam ums Leben.

Erste Fotos vom Tatort, der sofort weiträumig abgesperrt wurde, zeigen eine reglose Person auf dem Gehsteig. Die Explosion war in der gesamten Innenstadt zu hören. Aus allen Richtungen rasten Krankenwagen herbei. Eine Rauchwolke stieg über dem Boulevard Habib Bourguiba, der zentrale Prachtstraße, auf, an der sich viele Cafés und Geschäfte befinden und auf der neben Einheimischen auch Touristen gern flanieren.

Ziel der Attentäterin war offenbar ein Polizeifahrzeug nahe dem Innenministerium. Das Ministeriumsgebäude liegt am unteren Ende des Boulevards. Es ist durch Barrieren weiträumig gesichert und wird von zahlreichen bewaffneten Uniformierten bewacht.

IS-Kämpfer kehren zurück

Obwohl Tunesiens Sicherheitskräfte in den vergangenen drei Jahren im Kampf gegen die Terrorgefahr effektiver geworden sind, steht das kleine nordafrikanische Land unverändert vor gewaltigen Herausforderungen. Zum einen hat die salafistische Szene wegen der chronischen wirtschaftlichen Misere großen Zulauf. Zum anderen versuchen mehr und mehr IS-Extremisten, nach dem Zusammenbruch ihres „Kalifates“ nach Tunesien zurückzukehren. Erst Anfang Juli lockten Jihadisten in der unwirtlichen Bergregion im tunesisch-algerischen Grenzgebiet sechs Mitglieder der Nationalgarde in einen Hinterhalt und erschossen sie. In dem Gebiet operieren Bewaffnete von al-Qaida im Maghreb (AQIM), aber auch Soldaten des „Kalifates“, die dem IS Gefolgschaft geschworen haben.

Schätzungsweise 3000 Tunesier hatten sich seit Mitte 2014 der Terrormiliz im Irak und Syrien angeschlossen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung mehr als in jeder anderen Nation der Welt. Mehr als 12.000 junge Verführte wurden nach Angaben des tunesischen Innenministeriums damals an der Ausreise in das Kriegsgebiet gehindert. Etwa 800 Jihadisten sind inzwischen nach Tunesien zurückgekehrt. 90 Prozent von ihnen landen nach Angaben der Sicherheitsbehörden zunächst einmal hinter Gittern. Im November 2015 wurde der nach dem sogenannten Arabischen Frühling 2011 abgeschaffte Ausnahmezustand wieder reaktiviert, der den Einsatzkräften und Fahndern weitreichende Vollmachten gibt.

Einbruch der Urlauberzahlen

Für den Tourismussektor, der im Sommer 2018 erstmals seit Längerem wieder eine gute Saison verzeichnete, könnte nun das Selbstmordattentat im Zentrum der Hauptstadt zu einem neuerlichen Rückschlag führen. Vor drei Jahren erlebte die Branche nach den Massakern im Museum Bardo und am Strand von Sousse, bei denen insgesamt mehr als 60 Touristen ermordet wurden, den katastrophalsten Einbruch in ihrer Geschichte. Danach blieben mit einem Schlag zwei Millionen Besucher weg – mit über 30 Prozent der schlimmste Einbruch in der Geschichte des nordafrikanischen Landes. Zahlreiche Hotels mussten schließen und sind inzwischen zu Ruinen verkommen.

Bis zu dieser Zäsur war die Reisebranche Motor und Rückgrat der tunesischen Volkswirtschaft gewesen. 400.000 Menschen lebten in guten Zeiten vom Fremdenverkehr. Weitere zwei Millionen profitierten indirekt als Fahrer, Handwerker, Ladenbesitzer oder Landwirte, das ist die Hälfte aller tunesischen Arbeitnehmer. In ihren sonnigen Jahren trug das Urlaubsgeschäft 19 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2018)

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