Tarnen und täuschen: Der unauffällige Oberst

Auch hier, direkt im Ministerium in der Rossauer Kaserne, hat der mutmaßliche Spion gearbeitet.
Auch hier, direkt im Ministerium in der Rossauer Kaserne, hat der mutmaßliche Spion gearbeitet.Juerg Christandl / KURIER / picturedesk.com
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Ein nun festgenommener Oberst soll für Russland spioniert haben. Was man von ihm weiß – und warum das Heer den Umgang mit dem Fall kritisiert.

Im September 1974 hatte es ein 26-jähriger Salzburger geschafft: Er war einer von 25 Absolventen der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Sein Jahrgang hatte sich nach dem Feldmarschall Ludwig Andreas von Khevenhüller benannt. Auf dem neuen Abzeichen der Berufsoffiziere war das Motto „Mut, Tapferkeit, Treue“ gestickt. Der Jahrgangssprecher, Günter Polajnar, wurde Jahre später Wehrsprecher des Kärntner Teams Stronach. Das ist aber wieder eine andere Geschichte.

Der Salzburger, so wird er heute beschrieben, war damals „ein ruhiger Typ, sparsam und strebsam“. Kein ausgeprägter Ideologe. Wenn überhaupt, dann könne man ihn am ehesten als „bürgerlich-konservativ“ bezeichnen. Unauffällig ist der Mann auch in seiner weiteren Karriere beim Heer geblieben. Zunächst als Panzeroffizier, dann im Rahmen der Luftraumüberwachung in Salzburg, auch im Nato-Quartier soll er gewesen sein. Später zog er nach Wien, beruflich bis in die Rossauer Kaserne – dem Sitz des Verteidigungsressorts. Bevor er vor fünf Jahren in Pension ging, war er in der Abteilung Strukturplanung tätig. Kein besonders hochrangiger Posten. So konnte er seiner zweiten, geheimen Tätigkeit nachgehen.

Donnerstagabend wurde Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) informiert: Der Salzburger steht im Verdacht, mehr als 20 Jahre lang für Russland spioniert und Informationen über Österreich preisgegeben zu haben. Der Ressortchef informierte die Bundesregierung, jemand in seinem Büro auch die „Kronen Zeitung“. Freitagfrüh luden Kunasek und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, um über den Fall zu informieren. „Falls sich der Verdacht bestätigt, wird dies das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union nicht verbessern“, sagte Kurz. Details wollte die Regierung nicht verraten, um die Arbeit der Behörden nicht zu gefährden.

In der Nacht auf Samstag wurde der Verdächtige auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Salzburg in Oberösterreich festgenommen, er befindet sich wegen Tatbegehungsgefahr in Verwahrungshaft. Er wird befragt. Binnen 48 Stunden muss entschieden werden, ob er in Untersuchungshaft muss, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der entscheidende Hinweis über den möglichen Spion kam bereits vor Wochen aus einem befreundeten Nachrichtendienst. Mit den Vorwürfen konfrontiert, hat der Offizier laut Verteidigungsministerium ein Geständnis abgelegt. Bis zu 300.000 Euro soll er erhalten haben.

Raustrompeten. Zu dem Fall gibt es noch viele offene Fragen. Im Bundesheer wundert man sich, warum die Regierung so offensiv den Fall kommuniziert hat. Oder, wie es jemand aus dem Militär formuliert: „Wieso muss man das so raustrompeten?“ Nachrichtendienste wollen nicht in der Öffentlichkeit stehen – vor allem nicht mit Spionageskandalen. Bei Verdachtsfällen gilt die Devise, so vorsichtig wie möglich mit den Informationen vorzugehen. Mit diesem Vorfall ist auch ein Imageschaden für Österreich verbunden. Die wohl wichtigere Frage ist allerdings, wie der Mann sich so lang tarnen und das Bundesheer so lang täuschen konnte.

Üblicherweise findet bei jedem Neuzugang in der Truppe eine Sicherheitsüberprüfung statt. Je nach Aufgabengebiet gibt es drei Sicherheitsstufen beim Heer: Für die höchste muss man sehr viele, auch persönliche Informationen preisgeben. In welche Stufe der Verdächtige fällt, ist bisher nicht bekannt. In jedem Fall hatte auch er eine Chipkarte und ein Passwort, die ihm Zugriff zum Intranet gewährten. Die Informationen, die er preisgab, waren zwar nicht aus der höchsten Geheimhaltungsstufe, aber es reichen schon viele kleinere Hinweise, um Fremden einen guten Überblick über Personen und Abläufe des Bundesheeres zu geben – vor allem in einem Zeitraum über 20 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2018)

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