Es dürfe keinen Rückfall in den Nationalismus geben, und sich "nationales Scheuklappendenken" ausbreite, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei den Gedenkfeiern in Paris´
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei den Pariser Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs vor erneuten Gefahren für den Frieden in Europa und in der Welt gewarnt. "Wir sehen doch, dass internationale Zusammenarbeit, friedlicher Interessenausgleich, ja selbst das europäische Friedensprojekt wieder in Frage gestellt werden", mahnte die Kanzlerin am Sonntag.
Sie sei in Sorge, "dass sich wieder nationales Scheuklappendenken ausbreitet", sagte die Kanzlerin als Eröffnungsrednerin eines dreitägigen Friedensforums in der französischen Hauptstadt. Es dürfe keinen Rückfall in den Nationalismus geben, sagte sie und rief zur friedlichen Lösung aktueller militärischer Konflikte in aller Welt auf. "Wohin nationale Selbstherrlichkeit und militärische Überheblichkeit führen können", habe der Erste Weltkrieg gezeigt, sagte Merkel Gerade deshalb sei sie in tiefer Sorge, dass sich wieder "nationales Scheuklappendenken ausbreitet" und die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Ländern ignoriert würden.
Lösungen für Syrien und Jemen
"Wir sehen die Bereitschaft, Eigeninteressen schlimmstenfalls wieder auch mit Gewalt durchzusetzen", sagte Merkel mit Blick auf die 222 gewaltsam ausgetragenen Konflikte derzeit in der Welt. Mit Blick auf den Syrien-Konflikt und den Krieg im Jemen forderte Merkel: "Wir dürfen uns einfach mit den bewaffneten Konflikten nicht abfinden." Es dürfe nicht zu Sprach- und Tatenlosigkeit kommen. "Das heißt, wir müssen eine politische Lösung für Syrien finden", sagte sie.
Im Jemen, wo sich wahrscheinlich momentan die größte humanitäre Katastrophe weltweit abspiele, müsse das Blutvergießen gleichfalls gestoppt werden. "Ich glaube, die Welt muss handeln, um hier zu einem Waffenstillstand und humanitärer Versorgung zu kommen". Die Kanzlerin mahnte, mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit zum Dialog dürften nicht die Oberhand gewinnen.
Merkel warb zugleich für eine umfassende Unterstützung der Vereinten Nationen und den Erhalt der internationalen Regeln, um einen menschlichen Umgang in der Welt zu gewährleisten. Solche Regelwerke und Institutionen seien rascher zu zerstören, als sie wiederaufgebaut werden könnten, warnte die Kanzlerin.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte als Folgeredner vor einer verhängnisvollen "Verkettung" wie in den 1930er Jahren. Zuvor hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bereits vor einem Vordringen des Nationalismus in der Welt gewarnt. Damit setzten Merkel wie auch Macron ein Zeichen gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump, der das nationale Interesse der USA in den Vordergrund stellt und den Multilateralismus ablehnt.
(APA)