Gegen „Panikmache“, für UN-Pakt

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte am Donnerstag im Bundestag für das Abkommen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte am Donnerstag im Bundestag für das Abkommen. (c) APA/AFP/dpa/KAY NIETFELD (KAY NIETFELD)
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Wiens Nein zu dem Migrationspakt ist heikel für die Union. Warum sich im Bundestag dennoch eine Mehrheit dafür formiert hat.

Berlin. Nicht allzu weit von München entfernt, am Wiener Ballhausplatz, regiert ein Kanzler, den sich die CSU für Deutschland wünschen würde. Die bayrische Partei lud ihn als Hauptredner zu ihrem Wahlkampfabschluss ein, fuhr zu einem Sondergipfel nach Linz, verkündete mit ihm eine „Koalition der Willigen“. Vor allem bei der Flüchtlingspolitik ist man einer Meinung: Sebastian Kurz ist den Christsozialen in einigen Punkten näher als Deutschlands Regierungschefin, Angela Merkel.

Seit einigen Wochen muss die CSU allerdings das Kunststück vollbringen, Kurz zu kritisieren, ohne ihn namentlich zu nennen. Denn der Kanzler lehnt den UN-Migrationspakt ab. Und machte damit Kritik an dem Papier der Vereinten Nationen salonfähig. Auch in Deutschland.

Zuvor war vor allem auf rechten Portalen vor dem „globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ gewarnt worden, wie das Papier offiziell heißt. Mit der Vereinbarung wollen die Vereinten Nationen einen kleinen gemeinsamen Nenner finden, um Migration zu regeln. Rechtlich bindend ist der Pakt nicht, die Staaten entscheiden selbst, zu welchen Zielen sie sich verpflichten wollen. Parallel dazu arbeitet die UNO an einem internationalen Abkommen zum Thema Flucht – die beiden Bereiche sollen getrennt behandelt werden.

Kritiker werfen dem Pakt vor, die beiden Begriffe trotzdem zu vermischen und illegale Migration nach Europa damit womöglich zu verstärken. Auch Kurz argumentiert unter anderem so: Beim UN-Gipfel am 10. und 11. Dezember in Marrakesch wird Österreich dem Abkommen also nicht zustimmen, sondern sich enthalten.

Auch am CDU-Parteitag wird diskutiert

Die Position Österreichs verunsicherte vor allem die Basis der Unionsparteien CDU und CSU. Gesundheitsminister Jens Spahn, ein Freund des österreichischen Kanzlers, schlug daher eine Debatte darüber beim Bundesparteitag der CDU in Hamburg vor. Gut möglich, dass er sich davon ein paar Pluspunkte bei den Delegierten erhofft: Spahn will an diesem Wochenende auch zum Parteichef gewählt werden.

Die Regierungsparteien mussten im Nachhinein zugeben, das Thema zu lange nicht offensiv kommuniziert zu haben. Es sei der CDU nicht klar gewesen, welches Diskussionspotenzial im Abkommen stecke, sagte auch CDU-Generalsekretärin (und Spahns Gegnerin um den Parteivorsitz) Annegret Kramp-Karrenbauer. Bei aller Kritik spricht sich bis auf wenige Ausnahmen allerdings in der Union und SPD die Mehrheit für den Pakt aus. Doch ein Teil der Bevölkerung ist nach wie vor beunruhigt.

Um auf Skeptiker zu reagieren, stimmte der Bundestag am Donnerstag daher über einen Antrag der Koalitionsparteien ab: Darin wird festgehalten, dass die UN-Vereinbarung im Interesse Deutschlands ist. Das nationale Recht, über Migrationspolitik zu entscheiden, soll aber immer Vorrang haben. Die Mehrheit des Bundestags (372 Abgeordnete) stimmte dem Antrag zu.

Gegen das Abkommen stellte sich im Parlament nur die AfD: „Der Pakt ist eine Einladung zur weltweiten Völkerwanderung nach Deutschland ohne Obergrenze, er bringt Chaos und Gewalt ins Land“, sagte der Abgeordnete Gottfried Curio. „Der Deutsche will ja kein dummer Nazi sein und soll deswegen sein Erspartes für die schöne bunte Vielfalt ausgeben?“ Dann zählte man die Staaten auf, die das Abkommen ablehnen: Seit Donnerstag die Slowakei (weshalb Außenminister Miroslav Lajcak nun zurücktreten will), vermutlich bald die Italiener, jedenfalls aber die vier Visegrád-Staaten, die USA, Israel, Australien, Bulgarien – und eben Österreich.

„Ich kann doch meine Entscheidung nicht von anderen Ländern abhängig machen“, antwortete Paul Ziemiak von der Jungen Union. Bei vielen komme „Demagogie vor Vernunft“, sagte CSU-Abgeordneter Volker Ullrich. Der Pakt würde nicht zu mehr, sondern zu weniger Migration führen: Je besser die Lebensstandards in anderen Ländern, desto weniger Menschen würden nach Deutschland kommen.

Und CSU-Landesgruppenchef, Alexander Dobrindt? Er habe an dem Antrag massiv mitgeschrieben, sagt er. Auch, um der „Panikmache und den Gerüchten entschieden entgegenzutreten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2018)

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