Biathlon: Frischer Wind für die Loipenjäger

Sie laufen und schießen wieder, die Biathleten. Allen voran Martin Fourcade.
Sie laufen und schießen wieder, die Biathleten. Allen voran Martin Fourcade.(c) APA/AFP/JURE MAKOVEC
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Mit Ricco Groß hat ein neuer Mann das Sagen auf dem rot-weiß-roten Schießstand. Der Deutsche ist ein echtes Kaliber unter den Skijägern, nun soll er Landertinger und Co. beflügeln.

Pokljuka/Wien. Deutsche Gründlichkeit, aber auch Humor. Kollegialer Typ, aber auch klare Ansagen. So lauten die ersten Erfahrungsberichte der österreichischen Biathleten mit ihrem neuen Anführer, Ricco Groß. Der 48-jährige Deutsche hat im Sommer als Cheftrainer der ÖSV-Herren übernommen, heute gibt er erstmals bei einem Einzelrennen die Kommandos am rot-weiß-roten Schießstand (Einzel 20 km, 14.15 Uhr, live in ORF eins, Eurosport, ARD).

Dass er das tut, ist durchaus als Coup zu werten. Groß ist ein echtes Kaliber unter den Skijägern, vierfacher Olympiasieger, neunfacher Weltmeister, dann Damentrainer im deutschen Verband, zuletzt drei Jahre lang Chefcoach der russischen Männermannschaft. Mit der dortigen Verbandsführung hatte sich Groß nicht mehr einigen können, er war es wohl auch leid, mit den ständigen Nachwehen des Staatsdopingskandals zu kämpfen. Außerdem habe sich der ÖSV „sehr hartnäckig“ um ihn bemüht, erzählt Groß. Seine Vergangenheit im von Dopingskandalen gebeutelten Russland stört ÖSV-Sportdirektor Markus Gandler nicht. Das Thema sei intensiv besprochen worden, Groß wisse von nichts.

Eberhard: „Alles schon erlebt“

Nun sollen selbst arrivierte Athleten wie der 35-jährige Simon Eder, der in seinem ersten Weltcupjahr noch gegen Groß gelaufen ist, oder Dominik Landertinger, 30, von der Expertise des Deutschen profitieren. „Ich fühle mich wohl“, betont Eder. „Er weiß, was ein Sportler braucht“, sagt Landertinger. Julian Eberhard, 32, der die heimische Dreifachspitze komplettiert, meinte: „Er hat alle Situationen, in denen wir waren oder in die wir noch kommen werden, schon erlebt, in Gesprächen hilft das natürlich.“

Die Bestandsaufnahme des neuen Cheftrainers ist zugleich dessen Arbeitsauftrag: „Die Mannschaft hat in den letzten Jahren ein bisschen von ihrem Potenzial verloren. Deshalb haben wir schon ein paar Sachen verändert. Wir haben gut trainiert, zielstrebig trainiert, und wollen natürlich gut performen“, erklärte Groß. Das gilt für den Heimweltcup in Hochfilzen ab 14. Dezember wie für die WM im März in Östersund. „Da wollen wir nicht als Touristen hinfahren.“ Und schließlich will man auch den in der Vorsaison verlorenen sechsten Weltcupstartplatz zurückerobern.

Hinter den ÖSV-Biathleten liegt ein bescheidener Winter. Zwei Erfolge gegen Ende der Saison, Olympiabronze für Dominik Landertinger im Februar und der Massenstart-Sieg von Eberhard in Kontiolahti Anfang März waren als Highlights zu wenig, Herrencheftrainer Reinhard Gösweiner musste abdanken. Der im Weltcupzirkus als ruhig und besonnen geschätzte Oberösterreicher, 46, fungiert nun als Gesamtchefcoach der Sparte Biathlon und soll als solcher das große Ganze (Männer, Frauen, Nachwuchs) im Blick haben.

Auch die separate Trainingsgruppe von Biathlon-Urgestein Alfred Eder mit Sohn Simon und Lisa Theresa Hauser als Aushängeschilder gibt es nicht mehr. Immer schon war es der Wunsch des ÖSV gewesen, alle Athleten unter ein Dach zu bringen. „Am Stützpunkt in Hochfilzen finden wir alles, was wir brauchen“, sagt Groß. Dort ist auch Eder senior tätig, falls es Bedarf an Fachgesprächen gibt, Groß kennt den Salzburger gut, man schätzt einander. Gelegentlich wird aber auch im grenznahen bayerischen Ruhpolding trainiert, seit vielen Jahren die Heimat des gebürtigen Sachsen.

Die erste Standortbestimmung des Winters gab es am Wochenende bei den gemischten Staffelbewerben in Pokljuka. Eder überzeugte an der Seite von Lisa Hauser mit Platz zwei im Single-Mixed, allerdings kam die Mixed-Staffel mit Landertinger, Eberhard, Julia Schwaiger und Katharina Innerhofer unter 23 Nationen nicht über Rang 16 hinaus. Ausschlaggebend waren zwei Strafrunden von Innerhofer, aber auch Eberhard musste eine weitere zusätzliche Runde drehen.

Groß will nun das Potenzial der bereits etablierten Athleten zur Gänze ausschöpfen. Die weit größere Herausforderung aber wartet woanders. Hinter den Routiniers klafft ein Loch, die junge Garde um Felix Leitner, 21, soll zur Weltspitze aufschließen. „Wir wissen, dass wir im Nachwuchsbereich gewaltig Gas geben müssen“, erklärte der neue Chef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2018)

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