2600 Milliarden sind erst mal genug

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Symbolbild EZB.(c) APA/dpa/Boris Roessler (Boris Roessler)
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Der Europäische Gerichtshof stellt fest: Die Europäische Zentralbank darf, was sie längst tut. Das Urteil war zu erwarten. Jetzt kommt die Kür: Die EZB muss den Geldhahn zudrehen, vorsichtig.

Wien/Luxemburg. Oft ist es besser, um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen. Das Zitat stammt von der amerikanischen Computerpionierin Grace Hopper. Im Frankfurter Tower der Europäischen Zentralbank hat man sich daran gehalten und 2015 ein gewaltiges Programm gestartet, um Geld in die Märkte zu pumpen – ohne die Gerichte vorher um Erlaubnis zu fragen. Einige Bürger aus Deutschland sahen das Mandat der EZB verletzt und klagten. Seit Dienstag aber wissen wir: Die EZB darf, was sie längst tut. Das sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH), die oberste Instanz. Die Zentralbank wird also nicht um Verzeihung bitten müssen. Dass das Urteil im Sinne der EZB ausfallen würde, war zu erwarten. Dennoch hat es weitreichende Folgen.

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Denn der Spruch der Luxemburger Richter normalisiert ein Instrument, das vor zehn Jahren noch undenkbar war: Quantitative Easing, den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren zu geldpolitischen Zwecken. Jetzt steht fest: Die Krise hat alles verändert. In Deutschland, wo die Bundesbank in offener Opposition zu dieser neuen Form der Geldflut steht, wird das Urteil kaum für Begeisterung sorgen. Auch Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny zeigte sich skeptisch. Aber die Richter haben gleich doppelt für die Stabilität der Eurozone gesorgt. Erstens, weil ein Nein aus Luxemburg schlicht eine Katastrophe gewesen wäre. Die Reaktion der Märkte hätte eine neue Krise auslösen können. Und zweitens, weil jetzt klar ist, dass die EZB auch bei der nächsten Krise die Bazooka auspacken kann. Mit einer Bedingung: Die Krise darf nicht zu früh kommen. Denn zuerst muss der Ausstieg gelingen.

Keine Staatsfinanzierung

Schon bei der Sitzung an diesem Donnerstag erwarten die Analysten hierzu ein Signal aus Frankfurt. Laut Plan soll das Ankaufprogramm beendet werden und – erst mal – 2600 Milliarden nicht übersteigen. Das ist der Wert jener Anleihen, die die EZB seit 2015 in ihre Bücher genommen hat. Das erklärte Ziel: Bekämpfung der Deflationsgefahr und Wahrung der Preisstabilität. Obwohl die EZB vor allem Staatsanleihen gekauft hat, handelt es sich in den Augen der Notenbanker nicht um illegale Staatsfinanzierung, weil a) nach einem festgelegten Schlüssel gekauft wurde, nicht ausgerichtet am Finanzbedarf der Staaten, und b) keine schlechten Papiere wie etwa griechische gekauft wurden. Die Richter vom EuGH bestätigen auch diese Sicht und geben der EZB Rückendeckung.

Unklar ist aber weiterhin, was mit den auslaufenden Anleihen passieren wird. Aktuell gehen die meisten Analysten davon aus, dass die EZB das Geld reinvestieren wird. Heißt: Noch zieht sich die Notenbank keineswegs vom Anleihenmarkt zurück, die Größe ihrer Präsenz bleibt erstmal gleich. Dafür will man sich nun ernsthaft dem Thema Zinserhöhung zuwenden. Sollte am Donnerstag das Ende des Anleihenprogramms endgültig beschlossen und eine Zinserhöhung avisiert werden, dürfte das den Eurokurs heben.

Es wäre ein historischer Termin: Sechs Jahre nach der europäischen Schuldenkrise würde die EZB den Weg in Richtung geldpolitischer Normalität einschlagen. Anders als von vielen Kritikern befürchtet, ist es durch die Geldschwemme bisher auch nicht zu einer starken Inflation gekommen.

Im Gegenteil: Die Teuerung ist im Euroraum gerade mal auf rund zwei Prozent gestiegen und liegt damit im Rahmen dessen, was die EZB sich selbst als Ziel gegeben hat, um Preisstabilität zu erreichen. An dieser Front könnte sich in den kommenden Monaten aber noch etwas tun, sagt Analyst Lee Hardman von der japanischen Bank MUFG: „Die starken Daten zu den Löhnen sollten der EZB zeigen, dass der Inflationsdruck sich langsam aufbaut, und sie auf dem Weg in die Normalität bestärken.“ Cagdas Aksu von Barclays erwartet vom EZB-Rat einen „vorsichtig selbstsicheren Ton“.

Gleichzeitig wird die Notenbank wohl neue, langfristige und billige Kredite an Banken ankündigen, um ihnen die Rückkehr in die Normalität so angenehm wie möglich zu gestalten – damit es nicht zu einer neuen Krise kommt.

AUF EINEN BLICK

Die EZB darf Staatsanleihen kaufen, wenn es dem Ziel der Preisstabilität dient. Das urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof – und beendet damit einen jahrelangen Rechtsstreit um die Anleihenkäufe der EZB. Diese hat seit 2015 rund 2,6 Billionen Euro in den Markt gepumpt. Jetzt stellt sich die Frage, wie sie wieder aussteigen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2018)

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