Wer türkische Gymnasien als Integrationswundermittel propagiert, hat etwas missverstanden.
Angela Merkel hat Sinn für Symbolik. Die deutsche Kanzlerin überreichte dem türkischen Premier, Recep Tayyip Erdoğan, in Ankara eine Friedenstaube. Sie hätte einen ganzen Schwarm mitbringen können. Denn so aufgeheizt war die Stimmung zwischen Deutschland und der Türkei selten. „Warum dieser Hass auf die Türkei?“, klagte Erdoğan vor Merkels Ankunft.
In dieser Frage verdichtet sich das tiefe Missverständnis zwischen der Türkei und Europa. Merkel nimmt sich lediglich das Recht heraus, türkische Wünsche nicht zu erfüllen. Sie lehnt einen EU-Beitritt der Türkei ebenso ab wie Erdoğans Vorschlag, türkische Gymnasien in Deutschland zu errichten. Über beides kann man diskutieren. Aber ein Hassausbruch ist das noch nicht.
Besonders verzerrt wird Erdoğans Wahrnehmung, wenn er über die Integration türkischer Migranten sinniert. Vor zwei Jahren fiel ihm dazu in Köln ein, dass Assimilation ein Verbrechen sei. Dabei verlangt niemand von Türken, sich bis zur Unkenntlichkeit anzupassen. Schon damals forderte Erdoğan, wie jetzt wieder, türkische Gymnasien in Deutschland, als ob sie das Integrationswundermittel wären. Dabei verkennt er dreierlei: Erstens gibt es bereits deutsch-türkische Privatschulen; zweitens sind die verhältnismäßig wenigen Türken, die es ans Gymnasium schaffen, nicht die Integrationsproblemkinder; drittens gibt es bessere Orte als türkische Gymnasien, um Deutsch zu lernen, Kindergärten etwa. Doch das interessiert den Meister der neo-osmanischen Aufwallung schon wieder weniger.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2010)