Nur ein "No-Deal"-Brexit kann Pfund-Erholung aufhalten

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Zwei der größten Geldgeber der Brexit-Kampagne, der Milliardär Peter Hargreaves und der Hedgefonds-Manager Crispin Odey, gehen davon aus, dass Großbritannien in der EU bleibt.. Experten tauen der britischen Währung Kursgewinne zu.

Premierministerin Theresa May hat bei der Unterhaus-Abstimmung über ihren mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal gerade eine krachende Niederlage einstecken müssen. Am Devisenmarkt löste dies aber keine hektischen Verkäufe aus. Im Gegenteil: Experten tauen der britischen Währung sogar Kursgewinne zu. Denn viele Analysten halten einen ungeordneten Ausstieg Großbritanniens aus der EU am 29. März jetzt für weniger wahrscheinlich. Sie rechnen mit einer Verlängerung der Verhandlungsfrist. Sogar einen "Exit vom Brexit" halten einige für möglich.

"Abgesehen von einem 'No-Deal'-Brexit ist alles positiv für das Pfund Sterling", sagt Anlagestratege Kit Juckes von der französischen Großbank Societe Generale. Im aktuellen Kurs spiegelten sich bereits zahlreiche Belastungen wider. "Daher wird das Pfund von hier eher auf gute als auf schlechte Nachrichten reagieren." Seit dem Brexit-Referendum von Mitte 2016 hat die britische Währung bereits um rund 15 Prozent abgewertet und kostet derzeit gut 1,28 Dollar.

Volkswirt Dean Turner von der Schweizer Bank UBS verweist auf die jüngste Initiative des britischen Parlaments, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Die Abgeordneten setzten durch, dass es ohne ihre Zustimmung keinen Austritt ohne Scheidungsvereinbarung geben darf. Adrian Paul von der US-Investmentbank Goldman Sachs rechnet deswegen damit, dass der vom Unterhaus abgelehnte Brexit-Vertrag mit leichten Veränderungen bei einer erneuten Abstimmung angenommen wird.

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer hält es zudem für wahrscheinlich, dass es zu einem zweiten Referendum kommt und die Briten dann für einen Verbleib in der EU stimmen. "Es gibt inzwischen so viele neue Optionen, dass es mehr als legitim wäre, das britische Volk erneut zu fragen."

Zwei der größten Geldgeber der Kampagne für den Brexit, der Milliardär Peter Hargreaves und der Hedgefonds-Manager Crispin Odey, gehen davon aus, dass Großbritannien in der EU bleibt. Odey hat seinen Fonds nach eigenen Angaben entsprechend positioniert. Er traut dem Pfund einen Anstieg auf bis zu 1,35 Dollar zu. Von Reuters befragte Analysten halten sogar bis zu 1,38 Dollar für möglich, sofern sich Großbritannien und die EU doch noch auf Scheidungsmodalitäten einigen können. 90 Prozent von ihnen halten ein Freihandelsabkommen nach dem EU-Ausstieg des Vereinigten Königreichs für das wahrscheinlichste Szenario.

Die Bank von England könnte dem Pfund zusätzlichen Schub liefern, sagt Sarah Hewin, Chefvolkswirtin für Europa bei der Bank Standard Chartered. Werde der No-Deal-Brexit vermieden, dürfte die Notenbank wegen der anziehenden Inflation voraussichtlich die Leitzinsen anheben. "In zwölf Monaten haben wir dann einen Pfund-Kurs in den niedrigen 1,40ern."

"No Deal" hätte Chaos an der Börsen zur Folge

Allerdings warnen einige Analysten davor, das Risiko eines ungeordneten Brexit auszublenden. "Die Gefahr eines 'No Deals' bleibt substanziell, womit eine nachhaltige Pfund-Aufwertung weiterhin fragwürdig erscheint", so BayernLB-Devisenexperte Stefan Kipar. Das Pfund werde deshalb wohl erst einmal stärkeren Schwankungen ausgesetzt sein.

Die Bundesregierung hat sich laut Kanzlerin Angela Merkel auf einen ungeordneten Brexit vorbereitet. Denn dieser würde nicht nur die britische Wirtschaft, sondern auch die deutschen Unternehmen empfindlich treffen. Chaos an den Märkten wäre programmiert, warnt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland bei der ING Bank. "Das heißt, dass Lieferketten unterbrochen werden, das heißt, dass Produktionen höher und teurer werden und das heißt, dass es kurzfristig zu Verwerfungen an den Märkten und auch in der Wirtschaft kommen könnte." Stephanie Kelly vom Vermögensverwalter Aberdeen Standard Investments hat deshalb einen Rat für Anleger: "Das Klügste, was Investoren kurzfristig tun können, ist: nichts."

(Reuters)

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