Kärnten als Tummelplatz der Spione

Kaernten Tummelplatz Spione
Kaernten Tummelplatz Spione(c) APA (Gert Eggenberger)
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Der Volksgruppenkonflikt in Kärnten reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Deutsche, amerikanische und jugoslawische Geheimdienste mischten bei Ortstafelsturm und Sprengstoffanschlägen bis in die 70er-Jahre kräftig mit.

Wien/Klagenfurt. Der Kärntner Historiker Alfred Elste forscht seit Jahren in slowenischen Archiven. Das, was er dort (und anderswo) zutage förderte, birgt Sprengstoff. Und zwar für beide Seiten im Volksgruppenkonflikt. Elste zeigt auf, dass zumindest bis in die 70er-Jahre ausländische Geheimdienste eine wesentliche Rolle in der sehr emotional geführten Auseinandersetzung spielten. Und, noch brisanter: Dass prominente Kärntner in diesen Geheimdienstfehden kräftig mitmischten.

Der Volksgruppenkonflikt in Kärnten reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg: Jugoslawien hatte Gebietsansprüche gestellt, was in Kärnten nicht unbeträchtliche Ängste geschürt hatte. Der Staatsvertrag schrieb umfassende Minderheitenrechte fest. Gegen diese gab es eine starke Agitation deutschnationaler Organisationen, die die Ängste der Kärntner geschickt nutzten.

Privatgeheimdienst eingerichtet

Wie die Arbeiten von Elste nun zeigen, haben auch Geheimdienste auf dieser „Deutschkärntner“ Seite mitgespielt. In der Sicherheitsdirektion des Landes Kärnten wurde quasi ein Privatgeheimdienst eingerichtet, der ohne Wissen des Innenministeriums, aber mit Duldung der britischen Besatzungsmacht, 20 Mitarbeiter beschäftigte. Der prominenteste davon: Der spätere langjährige Klagenfurter Bürgermeister Leopold Guggenberger. Als Innenminister Oskar Helmer (SPÖ) davon Wind bekam, löste er die Gruppe auf.

Guggenberger, der diese Vorgänge der „Presse“ gegenüber bestätigte, machte mit einem von der Landes-ÖVP finanzierten privaten Nachrichtendienst weiter. Dafür brachte er laut Elste vielfältige Kontakte ein. So zum amerikanischen Geheimdienst CIC, Kontaktmann war dabei sein Schulfreund, der Publizist und frühere „Presse“-Herausgeber Fritz Molden.

Guggenberger heuerte auch Erhard Bürger an, einen ehemaligen Offizier der Deutschen Abwehr auf dem Balkan, der wiederum alte Seilschaften nutzte und den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) bediente. Bürger machte mit dem deutschnationalen „Schulverein Südmark“ Stimmung gegen zweisprachigen Schulunterricht und zweisprachige Ortstafeln.

Der BND dürfte dann in Kärnten kräftig mitgemischt haben. So soll er laut den Informationen von Elste den „Kärntner Heimatdienst“, die wichtigste unter den antislowenischen Organisationen, finanziert haben. Und er soll versucht haben, über einen Landeskriminalinspektor der Polizeidirektion Klagenfurt slowenische Priester in Kärnten anzuwerben, die nach Jugoslawien gehen und dort nachrichtendienstlich tätig werden sollten.

Im Visier aller Geheimdienste – auch des jugoslawischen – waren übrigens hochrangige Mitglieder der NS-Nomenklatur: Der jugoslawische Geheimdienst (UDBA) führte 1953 auf einer Liste 98 potenzielle Mitarbeiter namentlich an, von denen man nicht ausschloss, dass der BND und die österreichische Abwehr sie reaktivieren könnten.

Auf der anderen Seite spielte die UDBA eine wesentliche Rolle. Nach dem „Ortstafelsturm“ im Jahr 1972 – deutschnationale Aktivisten hatten die vom damaligen Kanzler Kreisky aufgestellten zweisprachigen topografischen Aufschriften weggeräumt – kam es in Kärnten zu einer Reihe von Anschlägen, etwa auf Bahnlinien und Stromleitungen. Der frühere slowenische Ministerpräsident Janez Janša hat kürzlich im Parlament ein Dossier präsentiert, das die Rolle der UDBA dokumentiert.

Helfer aus Kärnten

Dass der jugoslawische Geheimdienst dabei die Fäden zog, ist schon länger bekannt: Beim letzten und schwersten Anschlag, jenem auf das Völkermarkter Museum im Jahr 1979, waren zwei jugoslawische Staatsbürger verhaftet und später verurteilt worden. Danach hatte die UDBA die Aktionen eingestellt. Janša führte in der parlamentarischen Debatte unter Berufung auf die Dokumente der UDBA an, der jugoslawische Geheimdienst hätte Helfer aus den Reihen der „nationalbewussten“ Kärntner Slowenen gehabt.

Diese haben den Dokumenten zufolge bereits vor der Kontaktaufnahme mit Jugoslawien „radikale Aktionen“ geliefert. Eine davon war die Sprengung eines Partisanendenkmals auf dem Kömmel (ein Berg in Südkärnten, Anm.) – eine Aktion, für die dann deutschnationale Kräfte verantwortlich gemacht wurden.

Die meisten Aktivisten sind in den Dokumenten mit Decknamen versehen – mit einer Ausnahme: Matthäus Grilc, der in den 70er-Jahren eine Überlandleitung bei St. Kanzian gesprengt habe. Grilc gehört zu den prominentesten, in den vergangenen Jahrzehnten politisch aktiven, Kärntner Slowenen: Er war jahrelang Obmann des katholisch orientierten Rats der Kärntner Slowenen – jener Organisation, die sich vergangene Woche selbst auflösen sollte, was aber von den Funktionären abgelehnt wurde.

Grilc dementiert heftig: Die Vorwürfe seien „ein Wahnsinn“, er weise das entschieden zurück, so Grilc zur „Kleinen Zeitung“. Aufklärungsbedürftig ist jedenfalls, warum der dem damaligen jugoslawischen Regime weltanschaulich nicht unbedingt nahestehende Grilc als einziger „enttarnt“ wird. Die Identität der mit Decknamen versehenen Aktivisten lässt sich bisher noch nicht nachvollziehen. In gewissen nationalslowenischen Kreisen dürfte aber leichte Nervosität ausbrechen.

DIE GEHEIMDIENSTE

CIC. Das Counter Intelligence Corps war ein Nachrichtendienst des Heeres der Vereinigten Staaten von Amerika, der während des Zweiten Weltkrieges als polizeiähnliche Spionage-Abwehrabteilung des Heeres gegründet wurde. Wurde inzwischen von der Defense Intelligence Agency abgelöst.

BND. Der Bundesnachrichtendienst, gegründet 1946 als „Organisation Gehlen“, ist der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland.

UDBA. Uprava državne bezbednosti: Verwaltung der Staatssicherheit, kurz Staatssicherheitsdienst des früheren Jugoslawien. Wurde nach dem Zerfall Jugoslawiens Anfang der 90er-Jahre aufgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2010)

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