Kitzbühel: Die Abfahrtselite am Limit

Die Gamsjagd ist eröffnet, Matthias Mayer hat vorgelegt.
Die Gamsjagd ist eröffnet, Matthias Mayer hat vorgelegt. (c) APA/AFP/JOE KLAMAR
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Die Streif präsentiert sich eisiger und unruhiger denn je. Beim ersten Abfahrtstraining ging es voll zur Sache, Routiniers mussten sich überwinden, Topathleten fühlten sich überfordert.

Kitzbühel. Ob Neuling oder Routinier, Favorit oder Außenseiter – schon bei der Anreise durchs Leukental nach Kitzbühel beschleicht die gesamte Abfahrtselite Jahr für Jahr ein besonderes Gefühl. Einerseits schlägt beim Anblick der Streif das Herz eines jeden Abfahrers höher, andererseits ist da immer auch eine gehörige Portion Respekt.

Am Dienstag wurden die 79. Hahnenkammrennen (Super-G am Freitag, Abfahrt am Samstag, Slalom am Sonntag) schließlich eröffnet, und standesgemäß war gleich beim ersten von zwei Abfahrtstrainings höchste Aufmerksamkeit geboten. Die Präparierung hatte es in sich: eisig und unruhig, mit Sicherheit „kein Kindergeburtstag“ (Hannes Reichelt).

Bestzeit fuhr Matthias Mayer, der im Vorjahr in der Traverse noch artistisch einen bösen Sturz verhindert hatte. Ein Jahr später fand er Gefallen an der eisigen Streif. „Die Piste ist in einem unglaublichen Zustand, es wurde vom Start bis herunten mit Wasser gearbeitet. Es ist jede Stelle sehr hart, teilweise ist es eisiger, teilweise griffiger. Die Sprünge gehen gut, sie sind schön gebaut, da ist nichts zu tun“, erklärte der Kärntner. Die im Kombislalom von Wengen zugezogene Beckenprellung hat Mayer ausgeblendet. „Am Start ist es mir nicht gut gegangen, aber beim Fahren habe ich nichts gespürt. Es war eisig und unruhig, da hatte ich andere Gedanken.“ Die Aussagekraft der Bestzeit sei dahingestellt. „Es ist Dienstag, am Samstag ist das Rennen.“

Dann warten auf den Sieger Ruhm und Ehre, eine goldene Gams, ein Platz in der Kitzbühel-Historie und eine Gondel an der Hahnenkammbahn. Außerdem 74.000 Euro Preisgeld, so viel wie nirgendwo sonst im Weltcup. Routinier Hannes Reichelt weiß Bescheid, 2014 gewann er den Abfahrtsklassiker als bisher letzter Österreicher, im Vorjahr war er Dritter. „Es ist schon länger her, dass ich mit so einem Respekt am Start gestanden bin, weil ich gesehen habe, dass es richtig eisig und unruhig ist“, meinte der 38-Jährige nach seinem Trainingslauf (6.). „Die Piste wird ja von Läufer zu Läufer immer ruppiger, am Samstag wird das sicher zäh.“

Wengen-Sieger Vincent Kriechmayr ist noch überhaupt nicht zurechtgekommen (+1,76 Sek.), erklärte aber: „Sie präsentiert sich von ihrer besten Seite, die Streif. Sehr schwierig, aber auf keinen Fall gefährlich. Alle Passagen können mit hundert Prozent gefahren werden.“
Schonungslos offen berichtete ein anderer ÖSV-Athlet. Romed Baumann, zum elften Mal in Kitzbühel (bestes Resultat: Abfahrtszweiter 2012), beendete seine Trainingsfahrt schon nach der Steilhang-Ausfahrt. „Ich dachte nicht mehr, dass ich noch eine Kante auf meinem Ski habe, nichts hat mehr reagiert. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich einmal so überfordert war bei einem Training wie heute“, sagte der Tiroler, 33. „Sinnlos. Das hat mit Skifahren nichts mehr zu tun. Reinschnuppern und Herantasten geht hier nicht, da geht es gleich komplett zur Sache.“

„Volltetschn“

Auch Max Franz, immerhin zweifacher Saisonsieger, hatte Probleme und am Ende 4,43 Sek. Rückstand. „Ich dachte mir, ich stelle mich auf eine eisige, unruhige Piste wie in Bormio ein, und komme trotzdem nicht zurecht. Der Körper ist das nicht gewohnt, beim nächsten Mal wird es besser.“ Zur Steilhang-Ausfahrt meinte er: „Mit den Schlägen bekommst eine Volltetschn. Ich bin froh, dass ich gesund herunten bin. Am schönsten waren Hausberg und Traverse, das sagt, glaube ich, schon einiges.“

Einmal mehr nicht in die Karten blicken ließ sich Favorit Beat Feuz (11.). Der Schweizer war zuletzt in Kitzbühel vom Pech verfolgt, im Vorjahr schnappten ihm ein Wetterumschwung und der Deutsche Thomas Dreßen den Sieg weg, ein Jahr davor war er mit überlegener Zwischenbestzeit unterhalb der Traverse im Fangnetz gelandet. „Letzte Woche war ich eine Sekunde voraus, heute zwei Sekunden hinten. So ist das Training, mal so, mal so.“
Dass die Streif auch heuer wieder keine Fehler verzeiht, zeigte der Ausfall von Kjetil Jansrud. Beim Sieger von 2015 aus Norwegen besteht Verdacht auf eine Handverletzung. Am Donnerstag folgt Training Nummer zwei. (joe)

Kitzbühel 1. Abfahrtstraining

1. Matthias Mayer (AUT) 1:57,44 Min.
2. Benjamin Thomsen (CAN) +0,15 Sek.
3. Daniel Danklmaier (AUT) 0,24
Weiters: 4. Paris (ITA) 0,33 5. Clarey (FRA) 0,90 6. Reichelt (AUT) 0,91 7. Theaux (FRA) 0,98 8. Roger (FRA) 1,20 9. Ferstl (GER) 1,44 10. Kriechmayr (AUT) 1,76 11. Feuz (SUI).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2019)

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