Deutschland: „Flügel“ drängt AfD ins Schmuddeleck

Björn Höcke.
Björn Höcke.(c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Im sogenannten „Flügel“ sammeln sich die Rechtsaußen der Partei. Die Gruppe steht nun im Visier des Verfassungsschutzes. Und sie hat viel Einfluss in der AfD.

Wien/Berlin. Steht Deutschlands drittgrößte Partei noch auf dem Boden des Grundgesetzes? Die Verfassungsschützer haben ihre Zweifel. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist seit der Vorwoche ein sogenannter „Prüffall“, den Parteinachwuchs und den rechtsnationalen „Flügel“ in der AfD um Galionsfigur Björn Höcke stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sogar als „Verdachtsfälle“ ein.

Wie die Prüfung der Bundes-AfD ausfällt, könnte nun auch damit zusammenhängen, wie viel Einfluss der „Flügel“ auf die Gesamtpartei hat. Und dazu findet sich in dem Gutachten ein bemerkenswerter Satz: Demnach befürchten die BfV-Experten, dass der Flügel mit seinen „mutmaßlich verfassungswidrigen Einwirkungsversuchen auf die Gesamtpartei schon erste Erfolge erzielt hat“.

Der Zeitpunkt der Überprüfung ist heikel. Denn der „Flügel“ hat seine Machtbasis in Ostdeutschland. Dort finden heuer Wahlen in drei Bundesländern statt. Und in allen dreien stehen Vertreter des „Flügels“ an der Spitze – Höcke in Thüringen, Jörg Urban in Sachsen und Andreas Kalbitz in Brandenburg. Alle drei haben Chancen auf Platz eins. Und alle drei können künftig vom Geheimdienst überwacht, ihre Handys angezapft werden.

„Existenzbedrohende Gefahr“

Der Verdacht gegen Höcke und Co. könnte nun jedoch einen Teil der Wähler abschrecken, weil man mutmaßlichen Verfassungsgegnern dann doch nicht seine Stimme geben will. Innerhalb der AfD wittern die Gemäßigten die Chance, den „Flügel“ zu schwächen und zu mäßigen. Die „Alternative Mitte“ nannte das Höcke-Lager eine „existenzbedrohende Gefahr“ für die Bundespartei und drängte auf einen „Selbstreinigungsprozess“ des Flügels.

Immer schon ringen in der AfD eher Gemäßigte und das rechtsnationale Lager um Einfluss. Meistens gewinnen die Hardliner. Die damalige AfD-Chefin Frauke Petry zum Beispiel wollte Höcke aus der Partei drängen. Sie scheiterte. Petry ist längst Parteigeschichte. Und so rückte die AfD immer weiter nach rechts. Der „Flügel“ erstarkte.

Ein Drittel der Partei wird der Vereinigung zugerechnet. Gegründet hat sie Höcke im Jahr 2015. Der Geschichtelehrer ist für seine rhetorischen Entgleisungen bekannt. Die Holocaust-Gedenkstätte in Berlin nannte er ein „Denkmal der Schande“, einen deutschen Außenminister einen „Volksverderber“. Auch über die „gewucherte Parteiendemokratie“ schimpfte Höcke. „Nicht der Nationalsozialismus selbst, sondern die Niederlage von 1945 scheint für Höcke die eigentliche Katastrophe zu sein“, bilanzieren die Gutachter laut dpa an einer Stelle. Höcke und andere maßgebliche Akteure des Flügels sollen sich zudem in der Vergangenheit für rechtsextremistische Organisationen betätigt haben.

Höcke soll sich noch gelassen geben. Wobei ihm schon der nächste Ärger droht. Es gibt Hinweise auf eine neue Parteispendenaffäre. Der „Flügel“ soll an den Parteigremien vorbei Spendengelder gesammelt haben. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2019)

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