Wohn-Refurbishment

New York: Art-Deco Hochhaus One Wall Street wird umgebaut

Die Fassade bleibt, innen entstehen 566 Wohnungen: Das Hochhaus One Wall Street.
Die Fassade bleibt, innen entstehen 566 Wohnungen: Das Hochhaus One Wall Street.DBAX
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Wo früher das Epizentrum der Finanzwelt war, entstehen immer mehr Wohnungen, Hotels und Kultureinrichtungen.

Eingekokst, Zigarre im Mundwinkel, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt: Das Klischee der Banker und Broker New Yorks lässt sich maximal noch in Filmen sehen. An der Wall Street findet man sie jedenfalls gar nicht mehr, und das liegt nicht am Rauchverbot.

Zehn Jahre nach der Finanzkrise dominieren Jeans- statt Krawattenträger in Lower Manhattan. Die Banken und Versicherungen haben sich im Big Apple verstreut, manche haben sogar B-Standorte jenseits des Hudson-Rivers in New Jersey bezogen, um Kosten zu sparen. Das Finanzgeschäft von heute passiert ohnehin online, die Nähe zur Börse in der Wall Street wurde überflüssig, und das gesamte Areal rund um Ground Zero erfindet sich ohnehin komplett neu. 2016 machten Finanzunternehmen und Versicherungen daher nur mehr 37 Prozent der Mieter aus. „Noch nie war die Mischung aus verschiedenen Branchen so bunt wie heute“, heißt es in einem Marktbericht auf downtownny.com.

Kreativ- und Wissensbetriebe

Verlage, Informations- und Technologieunternehmen, Architektur- und Designbüros lieben den Standort im Süden Mahattans. Spotify und der Verlagsgigant Condé Nast haben sich etwa im neuen One World Trade Center einquartiert, auch andere Riesen wie die Nachrichtenagentur Associated Press, McKinsey & Company oder das Medienunternehmen Time Inc. haben ihr Headquarter rund um Ground Zero aufgeschlagen. Umgerechnet 126 Euro pro Quadratmeter lassen sie sich das kosten, weiß man beim Immobiliendienstleister CBRE.

Während die Banker früher nach der Arbeit maximal noch in ein Steak House gingen und die Straßen in Lower Manhattan nach sechs Uhr Abends wie ausgestorben waren, blühen heute an jeder Ecke neue Restaurants, Streetfood Läden, Geschäfte aller Preisklassen, Kulturinstitutionen und Gallerien auf. Dabei ist das Art Center, Vorzeigebau, der wie ein quadratischer Kulturstöpsel in die Wunden des neben gelegenen Ground Zero Mahnmals passt, noch nicht einmal gebaut.

Betten statt Büros

Immer mehr Menschen wollen in Lower Manhattan wohnen, 62.000 mit einem beachtlichen Durchschnittsalter von nur 33 Jahren sind es derzeit. Die New York Times schreibt sogar von einem Stadtteil, der vor allem zur Wohngegend für Familien wird. In den letzten zehn Jahren kamen 10.000 Wohneinheiten dazu. Über 178 Gebäude wurden von Büros in Wohnungen oder Hotels konvertiert.

Aktuell wird gerade das größte Wohn-Refurbishment in der Geschichte der Stadt realisiert. Gleich hinter der New York Stock Exchange höhlen an die 1000 Baurbeiter das 50-stöckige Art-Deco Hochhaus One Wall Street komplett aus, damit 566 Wohnheinheiten geschaffen werden können. Nichts außer die Geschoßdecken, die Säulen und die denkmalgeschützten Fassade bleibt. Sogar 20 Aufzüge wurden entfernt und zehn neue eingebaut, damit das Gebäude modern erschlossen wird und die Wohnungen mehr Tageslicht abbekommen. Als USP beschreibt Richard Dubrow, Director of Marketing beim Immobilienentwickler Macklowe im Gespräch mit DiePresse das breite Angebot: „Wir wollen eine lebendige Durchmischung, bieten Wohnungen für Singles genauso wie für Familien“.

Seit 2000 hat sich die Anzahl von Familien mit Kindern in Lower Manhattan verdreifacht. Trotzdem werden wohl nicht alle als Käufer in Frage kommen, immerhin geht es um eine der zentralsten Lagen New Yorks. In den nächsten Wochen beginnt die Vermarktungsphase, weshalb die Preise noch nicht final kalkuliert sind – der Startpreis für die günstigste Wohnung wird jedenfalls mit 960.000 US-Dollar kommuniziert.
Einige der Apartments werden jedenfalls über ein ganz besonderes Plus verfügen, denn die immer wieder zurückspringende Fassade gestattet 47 Terrassen mit teilweise Atem beraubenden Ausblicken. Wie im Big Apple üblich, wird es diverse allgemeine Services und Flächen geben (Indoor-Pool mit fast 360-Grad-Blick, eine allgemeine Dachterrasse im 39. Stock, Fitnesscenter).

Besonders spannend dürfte es für die Bewohner allerdings beim Einkaufen werden, denn sie verfügen über einen eignen Zugang zu dem Retailer „Whole Food Amazon“ im Erdgeschoß. Der Online-Gigant hat sich 4000 Quadratmeter für seinen New Yorker Flagshipstore gesichert. Im Jänner 2019 hat Life Time Fitness einen Mietvertrag für die vier Stockwerke darüber unterschrieben – in Summe also ein 6.900 Quadratmeter großes Fitnesscenter. Die Fertigstellung des gesamten Projekts ist für 2020 geplant.

Umbauen für die nächste Generation

Neben Wohnungen werden viele Ex-Büros aktuell auch gerne zu Hotels umfunktioniert. Nur ein paar Straßen weiter nördlich der Wall Street wurde der 1883 aus Backstein und Terra Cotta erbaute Temple Court – das erste feuerfeste Bürogebäude New Yorks – umgenutzt, erst wollte man nur Wohnungen bauen, dann fand man einen Kompromiss. Die historische Substanz wurde behutsam in ein extrem hipp-schick-gediegen-extravagantes 5-Sterne Hotel verwandelt, daneben hat der Eigentümer einen 51 Meter hohen Turm Richtung Himmel geschickt. Die beiden nebeneinander, das wäre in Österreich ein handfester Skandal, aber wir sprechen hier von Manhattan. Das Beekman allein ist jedenfalls schon eine Reise wert. Während das große Atrium früher Licht in die Büros brachte, dient es heute als Kulisse der angesagten New Yorker Gesellschaft.

Hotels für den Gast von heute

Aber auch jüngere und poppigere Hotelmarken drängen in das ehemalige Finanzviertel, W Hotels und Moxy sind hierhergezogen, das Andaz der Hyatt-Gruppe am unteren Ende der Wall Street gibt es schon länger. Gerade das ist sein Problem. „In den nächsten Monaten werden wir unser gesamtes Erscheinungsbild überarbeiten“, erzählt Amy Beck, Director of Sales, Events and Marketing im Andaz Wall Street. Die Andaz-Marke greift in ihren Häusern und im Interior-Konzept ja stets die lokale Umgebung auf. Beck: „Das Hotel war auf Banker ausgerichtet – sehr clean, immer wieder mit Referenzen an Geldscheine oder Münzen. Jetzt werden wir poppig, bunt und hipp – denn das sind die Gäste von heute.“ (hero/red.)

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