Rendezvous mit der Realität für die Gilets jaunes

Gut, dass die Gelbwesten zur EU-Wahl antreten.

Die öffentliche Aufmerksamkeit haben sie, einen gewissen Rückhalt in Teilen der französischen Gesellschaft auch: Wird es der Protestbewegung der Gilets jaunes nun glücken, sich zu einer ernsthaften politischen Organisation zu formen und bei den Europawahlen im Mai zu reüssieren? Dies lässt sich derzeit nicht seriös beantworten. Es ist schließlich viel komplizierter, unter Einhaltung aller Vorschriften eine Kandidatenliste zu erstellen, einen Wahlkampf zu planen, zu finanzieren und durchzuziehen, als Kreisverkehre in der französischen Provinz und Einkaufsstraßen in den Metropolen zu blockieren.

Doch die Entscheidung einiger Gelbwesten, sich der Wahl zu stellen, ist aus mehreren Gründen positiv. Erstens scheinen sie erkannt zu haben, dass in Demokratien die Dinge nicht auf der Straße, sondern im Parlament zu ändern sind. Zweitens sorgt diese Kandidatur für bisher schmerzlich vermisste Transparenz: Wer sind die Sprecher dieser Bewegung? Wodurch sind sie legitimiert? Wer finanziert sie?

Drittens werden die Gelbwesten, so sie gewählt werden, im Europaparlament dieselbe Entscheidung treffen müssen wie alle Protestparteien vor ihnen: Entweder sie begnügen sich mit einer Fortsetzung ihrer Totalablehnung des Systems. Dann werden sie im Hinterbänklertum erstarren. Oder sie erkennen die Notwendigkeit von Sacharbeit und Kompromiss. Diesfalls werden sie das parlamentarische Geschehen beleben. Und das ist im Sinne aller Demokraten.

oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2019)

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