Balkan: Angst vor dem „Griechenland-Infekt“

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Balkan Angst bdquoGriechenlandInfektldquo(c) EPA (VASSIL DONEV)
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Vom Großinvestor zum Sorgenfall. Die Balkanstaaten fürchten mögliche Folgen der griechischen Krise: vom Rückzug griechischer Banken bis zum verspäteten Eurostart.

Belgrad. Nirgendwo wurde die Einigung auf das mühsam geschnürte Rettungspaket für das Sorgenkind der EU so erleichtert aufgenommen wie in den Hauptstädten der Balkanstaaten. Die Unterstützung für Griechenland sei eine „gute Nachricht für Bulgarien“, kommentierte Premier Boyko Borrisov die Stabilisierungsanstrengungen der EU-Partner: Schließlich seien 30 Prozent der Banken des EU-Neulings in griechischem Besitz.

Auch Rumäniens Präsident würdigte den erzielten Kompromiss als „äußerst wichtig“ für sein Land, dessen Finanzmärkte zu einem „hohen Anteil“ von griechischen Banken kontrolliert würden: Ohne eine schnelle Entscheidung wäre die Region Gefahr gelaufen, von Griechenlands Krise „infiziert“ zu werden. „Die Stabilisierung Griechenlands ist sehr wichtig für uns.“

Großmacht bei Balkanbanken

Es ist die Sorge um die eigenen Finanzmärkte, die die Balkanstaaten die Turbulenzen bei ihrem langjährigen Vorbild Griechenland mit Beunruhigung verfolgen lassen. Milliarden Euro haben griechische Investoren in die Staaten der Region gepumpt: Vor allem griechische Großbanken galten als willkommene Wachstumsmotoren. Außer Rumänien und Bulgarien verfügen griechische Banken auch in Serbien, Moldawien und Mazedonien über hohe Marktanteile. Im Nachbarland Albanien wird der Finanzsektor zur Hälfte von griechischen Banken kontrolliert: Deren wesentlich zögerlichere Kreditvergabe trifft nun im Land der Skipetaren vor allem den Bausektor.

Es werde zu keinerlei Kapitalabzug kommen, zerstreuen griechische Großbanken wie Alpha Bank und Piraeus Bank die Sorge vor einem Kapitalabfluss. Kapital finde immer den Weg, den es gehen wolle, meint hingegen Georgi Ganev, Direktor des Zentrums für Liberale Strategien (CLS) in Sofia. Sicher sei, dass es den griechischen Banken angesichts der Probleme auf ihrem Heimatmarkt auf absehbare Zeit an Mitteln für eine weitere Expansion mangeln werde. Auffällig seien in Bulgarien die Versuche anderer Banken, mit aggressiven Werbekampagnen Marktanteile der griechischen Konkurrenz zu übernehmen: Die Marktposition der griechischen Großbanken drohe zu „schrumpfen“.

Gastarbeiter und Devisenüberweisungen

Vor allem bei den direkten Anrainern Albanien, Mazedonien und Bulgarien trifft die Finanzkrise im Nachbarland nicht nur die Angestellten griechischer Investoren, sondern auch heimische Exportunternehmen. Allein in Bulgarien zählen griechische Firmen 17.000 Mitarbeiter, 100.000 Jobs hängen von deren Investitionen ab. Gleichzeitig ist der Nachbar der viertgrößte Abnehmer bulgarischer Produkte. Sehr hart dürfte die griechische Krise auch das Heer der Saisonarbeiter treffen. Deren Zahl wird allein in Bulgarien auf 150.000 geschätzt: Von ihrem Verdienst als Erntehelfer, Zimmermädchen oder Kellner hängen ganze Familien ab. Größer noch ist die Abhängigkeit Albaniens von den Devisenüberweisungen ihrer 650.000 ins Nachbarland emigrierten Landsleute.

Auswirkungen hat Griechenlands drohender Finanzkollaps auf die anvisierte Einführung des Euro in Bulgarien und Rumänien: Ihre Euroambitionen können die beiden EU-Neulinge vorläufig auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Es sei die „unangemessenste Zeit“, einen bulgarischen Beitritt zur Eurozone zu erwähnen, klagt Premier Borrisow: „Ich hoffe nur, dass wir wegen Griechenland nicht bestraft werden.“

Eigentlich hat das Kabinett die Einführung des Euro bis 2013 geplant. Doch nach der Griechenland-Krise hat die EZB die Tür für neue Eurokandidaten vorerst geschlossen. Zwar müssten Kontrollmechanismen für die Mitglieder der Eurozone verbessert werden, so Ganev. Doch er hält es für „unfair“, die Beitrittskriterien für neue Anwärter zu verschärfen, „obwohl jeder weiß, dass vier der Gründungsmitglieder nicht einmal die bisherigen erfüllen“.

Auf einen Blick

Griechische Großbanken galten auf dem Balkan lange als wichtige Financiers des Wachstums. Doch nicht nur die Sorge über Kapitalabfluss und um die Arbeitsplätze der Saisonarbeiter macht nun den Nachbarstaaten zu schaffen. Wegen der griechischen Krise dürfte sich die Euroeinführung in Bulgarien und Rumänien nachhaltig verzögern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2010)

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