Deutsche Regierung halbiert Wachstumsprognose

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Die deutsche Regierung erwartet heuer nur 1 Prozent Wachstum und setzt sich damit an die Spitze der Konjunkturpessimisten. Kritik kommt von Ökonomen und Wirtschaftsverbänden.

Forschungsförderung, Bürokratieabbau, Steuersenkung: Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier will angesichts der deutlichen Konjunkturabkühlung gegensteuern. "Die guten Jahre können weitergehen, wenn wir klug und umsichtig handeln", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichtes in Berlin.

Darin wird die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im laufenden Jahr nahezu halbiert - von bisher 1,8 auf 1,0 Prozent. Das wäre das kleinste Plus seit 2013. "Der Gegenwind, vornehmlich aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld, nimmt zu", sagte der Minister und nannte vor allem einen ungeordneten Brexit und den Handelsstreit als Risiken.

Um die Konjunktur zu stützen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, will Altmaier forschende Unternehmen stärken. Die deutsche Regierung werde bis zur Sommerpause einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen. "Das ist ein wichtiges Signal an alle Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben." Ziel soll es sein, dass auch Investitionen, die in der zweiten Jahreshälfte oder später getätigt werden, rückwirkend geltend gemacht werden können. Auch für ein Planungsbeschleunigungsgesetz macht sich Altmaier stark, damit schneller investiert werden könne.

Mit seinem Ziel, den Solidaritätszuschlag (Soli) vollständig abzubauen, stößt der CDU-Politiker allerdings auf hartnäckigen Widerstand der SPD. Im Koalitionsvertrag ist zwar die Abschaffung für 90 Prozent der Soli-Zahler ab 2021 beschlossen. Die Union möchte aber auch die Streichung für die anderen zehn Prozent, die 50 Prozent des Soli-Aufkommens beisteuern. Finanzminister Olaf Scholz lehnt dies ab. "Steuersenkungen zu versprechen, für die es keine Gegenfinanzierung gibt, ist unredlich und schafft kein Vertrauen", sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend.

Mit ihrer Prognose setzt sich die deutsche Regierung an die Spitze der Konjunkturpessimisten. Alle großen Forschungsinstitute rechnen bisher mit einem kräftigeren Zuwachs. Daher kommt auch Kritik aus dem Lager der Ökonomen: "Ich halte das für Zweckpessimismus der Bundesregierung", sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Gustav Horn. "Denn sie will im Laufe diesen Jahres sagen, dass alles viel besser gelaufen ist als zunächst erwartet, vor allem dank ihrer Bemühungen in einem schwierigen außenwirtschaftlichen Umfeld." Die konjunkturelle Dynamik sei noch intakt und werde insbesondere vom privaten Konsum getragen.

Kritik von Wirtschaftsverbänden

Kritik äußerten auch Wirtschaftsverbände. So forderte der Außenhandelsverband BGA "mehr Tempo bei der Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland". Dessen Präsident Holger Bingmann plädierte neben einem beschleunigten Ausbau der Infrastruktur für niedrigere Steuer: "Soll Deutschland weiterhin ein attraktiver Standort bleiben, ist jetzt Handlungsbedarf geboten." Die SPD-Bundestagsfraktion forderte von Altmaier eine umfassende Industriestrategie. Diese sei "überfällig", sagte ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Bernd Westphal.

Altmaier sieht keinen Grund zur Panik: "Die deutsche Wirtschaft befindet sich auch in diesem Jahr auf Wachstumskurs, das zehnte Jahr in Folge. Das ist die längste Aufschwungsphase seit 1966." Diese Erfolge kämen auch bei den Menschen an, durch neue Jobs und höhere Löhne. So soll die Zahl der Beschäftigten auf das Rekordniveau von 45,2 Millionen steigen. Die Nettoverdienste dürften demnach um 4,8 Prozent zunehmen, wozu auch Entlastungen bei Steuern und Abgaben beitragen sollen.

Der Staat wird der Prognose zufolge seine Verbindlichkeiten weiter abbauen. Der Schuldenstand dürfte unter die Marke von 60 Prozent des BIP fallen, die in den EU-Verträgen als Obergrenze festgelegt ist.

(APA/Reuters)

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