Der T-34 aus Beton im Uferwald am Bodensee

Vorarlberg: Ein Hauch von Krieg im Naturschutzgebiet

Mitten im Uferwald an der Mündung der Bregenzer Ach in den Bodensee in Bregenz steht ein alter russischer Kampfpanzer vom Typ T-34 – aus Beton gegossen. Das Ding ist weithin kaum bekannt. Was tut es dort? Wir gingen auf Spurensuche.

"Ich muss dir was zeigen, komm", sagte ein Schulfreund irgendwann Anfang der 1980er-Jahre. Wir waren zusammen in Bregenz in der Mehrerau, im Gymnasium dort, dem weltlichen Teil eines Klosterkomplexes des Zisterzienserordens, in einer bukolischen Landschaft nahe am Ufer des Bodensees.

Mein Kumpel tat sehr geheimnisvoll. In der Mittagspause radelten wir los, den Strandweg entlang nach Westen, vielleicht eineinhalb Kilometer, bis zum Kiosk-Café in jener Gegend nahe der Mündung des Flusses Bregenzer Ach und an der idyllischen Bucht des sogenannten Wocherhafens, die man gemeinhin „Neu Amerika" nennt.

Beim Kiosk, wo sie guten Most haben, führt ein Weg in den Uferwald. Wir folgten ihm ein kurzes Stück, bogen links auf einen Trampelpfad ab und gerieten zu Fuß in immer dichteren, sattgrünen, feucht-modrigen, dschungelhaft verwachsenen Wald, bis im trüben Licht ein riesiger Schatten erschien. Es war fast unheimlich. Dann standen wir vor ihm: einem Kampfpanzer. Aus Beton. In Originalgröße. Was tat der hier?

Wolfgang Greber

Es ist ja so: Panzer und Panzerfahrzeuge sind in Vorarlberg grundsätzlich eine extreme Rarität. Weder das Bundesheer der I. noch der II. Republik hatte im Ländle, diesem spätestens seit den Napoleonischen Kriegen militärstrategisch unbedeutenden Gebiet fernab der typischen europäischen Kriegsschauplätze, je mittel- oder langfristig Panzer stationiert - diese im Kern englische Erfindung, die erstmals 1916 an der Westfront in Frankreich erschienen war. Die Panzertruppe des Bundesheeres stand und steht naturgemäß im Osten Österreichs, Schwerpunkt Nieder- und Oberösterreich.

Mit den Franzosen kamen die Panzer

Unter den Truppen der 1. Französischen Armee, die im Mai 1945 von Norden her einrückten, waren Teile einer Panzerdivision mit US-Modellen etwa der Typen Sherman und Stuart, wie Fotos zeigen. Damals werden die allermeisten Vorarlberger, sofern sie nicht selbst im Krieg gewesen waren, zum ersten Mal stählerne Kampffahrzeuge gesehen haben.

Französischer Sherman kurz nach der Grenze bei Lochau, 1. Mai 1945
Französischer Sherman kurz nach der Grenze bei Lochau, 1. Mai 1945Stadtarchiv Bregenz
Panzerjäger M-10 vor dem Gasthaus "Weißes Kreuz" in Dornbirn, Mai 1945
Panzerjäger M-10 vor dem Gasthaus "Weißes Kreuz" in Dornbirn, Mai 1945Stadtarchiv Bregenz

Beim deutschen Einmarsch im März 1938 waren nämlich keine Panzer nach Vorarlberg eingefahren, das war eine Infanterie-Angelegenheit. Auch in den Jahren bis 1945 tauchten deutsche Panzer in Vorarlberg selten auf, und wenn, dann meist bei Bahntransporten via Arlberg.

Das Rätsel um den Betonpanzer im Uferwald an der Bregenzer Ach wird umso größer, weil der Betonklotz ganz eindeutig einem T-34 nachempfunden ist. Das waren jene legendären sowjetischen Panzer, die es 1939 als Prototypen gab, die aber im Ausland unbekannt waren, als die Deutschen und ihre Verbündeten 1941 die UdSSR angriffen.

Schrecken für die Deutschen

Die stellten alsbald entsetzt fest, dass die meisten ihrer Panzer und Panzerabwehrkanonen gegen den T-34 wenig ausrichteten. Bessere, gegen den T-34 und andere starke Sowjetpanzer (etwa den Kliment-Woroschilow-1) wirksame Waffen kamen frühestens Mitte 1942 in Feld, bis dahin (und letztlich oft auch noch danach) war man auf kluges taktisches Vorgehen, geringe Schussdistanz, Minen, Luftangriffe und die klobigen, schweren, aber hart zuschlagenden 8,8-cm-Flugabwehrkanonen angewiesen, die auch im Erdkampf genutzt wurden.

T-34 im russischen Winter. Auf dem Turm steht "Leningradez" (der Leningrader)
T-34 im russischen Winter. Auf dem Turm steht "Leningradez" (der Leningrader)Pinterest/Russische Armee

Der T-34 also war ein neues, bis heute konstruktiv prägendes Design, mäßige 32 Tonnen schwer, mit abgeschrägter Panzerung, was ihn wegen des Abpralleffekts schwerer zu knacken machte, mit (für 1941) überdurchschnittlich großkalibriger Kanone Kaliber 76 Millimeter, später 85 mm, robustem Fahrwerk und Motor, und sehr schnell (55 km/h).

Russland, brennender T-34, 1941
Russland, brennender T-34, 1941Deutsches Bundesarchiv

Er war leicht zu verstehen und zu bedienen, man brauchte keine monatelangen Kurse dafür. Vor allem war er simpler konstruiert als alle deutschen Panzer, leichter zu reparieren, zu warten – und zu bauen. Die Zahlen sprechen Bände: Bis Kriegsende entstanden mindestens 51.000 Stück der Versionen T-34/76 und T-34/85, nach anderen Quellen über 58.000, bis zum Bauende in den 1950ern total etwa 84.000 – der bis heute zweitmeistgebaute Panzer der Welt.

Russische T-34 und aufgesessene Infanterie im Angriff nahe Odessa, 1943/44
Russische T-34 und aufgesessene Infanterie im Angriff nahe Odessa, 1943/44Pinterest/Russische Armee

Zum Vergleich: Von deutschen Kampfpanzertypen, die gleichwertig oder deutlich überlegen waren, gab es nicht ganz 16.000 Stück (vor allem Panzer IV, dazu Tiger I, Tiger II, Panther). Und so verlief dann auch der Krieg. Die deutschen Panzereinheiten konnten letztlich trotz qualitativer Überlegenheit, stärkerer Kanonen und auch im Verbund mit Jagdpanzern und Sturmgeschützen die russische Walze nicht stoppen.

T-34/85 bei einem "Reenactment", einer Nachstellung von Kriegsereignissen
T-34/85 bei einem "Reenactment", einer Nachstellung von Kriegsereignissennationalinterest.org

Jedenfalls: Niemand, dem ich in all den Jahrzehnten seither von dem Panzer im Wald erzählte, kannte ihn, nicht einmal Bregenzer. Sogar der Bregenzer Stadthistoriker, Thomas Klagian, sagte zu mir: „Ich gesteh’s. Ich kenne den nicht."

Okay: Man kann und muss wirklich nicht alles kennen.

Ahnherr des Bechtold'schen Beton-Porsches

Er findet sich indes auf Google Maps. Dort und andernorts, etwa auf near-place.com, wird er als „Museum", „Sehenswürdigkeit" und sogar „Kunstprojekt" gelistet. Vielleicht dachte bei letzterem jemand an die "Betonporsches" des Bregenzer Künstlers Gottfried Bechtold, das sind tonnenschwere Abgüsse seines Porsche 911, die er erstmals 1971 hergestellt hatte und die seither an diversen Orten aufgestellt wurden, etwa vor dem Kunsthaus in Bregenz.

Um zu erfassen, in welchem Ambiente der Panzer steht, finden sich auf diesem Link allerhand Bilder, und siehe auch hier eine Karte sowie Landschaftseindrücke:

Der Standort des Betonpanzers links im Bild blau markiert bei der Flussmündung. Das Zentrum von Bregenz ist weiter rechts, dazwischen die Mehrerau und die grüne Gegend von Neu Amerika.
Der Standort des Betonpanzers links im Bild blau markiert bei der Flussmündung. Das Zentrum von Bregenz ist weiter rechts, dazwischen die Mehrerau und die grüne Gegend von Neu Amerika.Screenshot Google Maps
Mündung der Bregenzer Ach zwischen Bregenz (re). und Hard, fotografiert von der Fahrradbrücke. Der Wald rechts ist jener, wo der Betonpanzer steht und das Übungsgelände war.
Mündung der Bregenzer Ach zwischen Bregenz (re). und Hard, fotografiert von der Fahrradbrücke. Der Wald rechts ist jener, wo der Betonpanzer steht und das Übungsgelände war. Greber
Blick von der Achmündung nach Westen über den Uferwald, im HIntergrund Bregenz und der Pfänder.
Blick von der Achmündung nach Westen über den Uferwald, im HIntergrund Bregenz und der Pfänder.Manfred Eisele

Nun, er ist eben noch immer gut versteckt. Um ihn zu finden, folge man dem Waldweg beim erwähnten Kiosk (nehmen Sie dort vielleicht zuvor ein Glas Most) etwa 100 Schritte oder 80 Meter, dann geht der sehr schmale Pfad links ab. So 100 bis 120 Meter weiter kommt eine Gabelung, dort steht er gleich rechts. Hier ein Link über Google Maps.

Der nagende Zahn der Zeit

Der Zahn der Zeit hat ihn angenagt. Auf ihm wächst Moos, das Metallrohr, das die Kanone simulierte, ist weg (nicht aber das MG-Rohr). Beton bröckelt ab, der Turm ist zerborsten und man sieht hinein, dort verfault Laub, kriechen Insekten, Asseln, Spinnen. Als ich ihn zuletzt voriges Jahr besucht hatte, lagen im Turm Flaschen und eine zerquetschte Zigarettenschachtel. Er kriegt also doch noch Besuch.

Heckansicht
HeckansichtGreber

Aber woher kommt er?

Nun, was wir als Bregenzer Kinder seinerzeit in den 1980ern sehr wohl gewusst haben: In Neu Amerika war ein militärisches Übungsgebiet. Manchmal hat man Abteilungen von Soldaten den See entlang dorthin marschieren gesehen, sie kamen aus den Kasernen in Bregenz und Lochau. In der Nähe des Panzers kann man übrigens zwischen den Bäumen im Unterholz bei genauerem Hinsehen auch Reste mindestens eines Bunkers bzw. festen Unterstandes erkennen.

„Das Heer hat das Gebiet in den 1950ern von der Stadt gepachtet", erzählt der Vorarlberger Militärhistoriker Oberst Erwin Fitz. „Da war dort noch Freiland, und das Übungsgebiet reichte im Süden flussaufwärts über den heutigen Reitstall hinaus (bis nahe der Rheinstraße Bregenz - Hard, Anm.). Später ist der Zivilisationsdruck größer geworden und die Übungsfläche kleiner, vor allem durch den Bau der Achsiedlung (einer großen Wohnanlage, Anm.) in den 1970ern, bis die Stadt den Pachtvertrag Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr verlängert hat. Damals war ich Kasernenkommandant in Bregenz und Lochau."

Oberst Erwin Fitz, Militärhistoriker
Oberst Erwin Fitz, MilitärhistorikerBundesheer

Eigentlich hatte die unweit der deutschen Grenze liegende Rhomberg-Kaserne in Lochau - sie wurde Ende der 1990er aufgelassen - gleich vor der Tür in einem Wald am See ein eigenes Übungsgelände. Allerdings ist dort der Grundwasserstand sehr hoch, bei hohem Stand des Bodensees werden Teile des Gebiets überschwemmt. "Gräben ausheben war dort oft unmöglich, da stand gleich das Wasser drin", erzählt Fitz. Also marschierten die Lochauer gelegentlich die sechs Kilometer bis zum Übungsgelände an der Bregenzer Ach und zurück.

Laut Stadthistoriker Klagian wurde 1959 ein unbefristeter Pachtvertrag über zwei Parzellen geschlossen und auf Jänner 1955 zurückdatiert, denn das Gebiet längs der Ach und Achsiedlungsstraße war bereits seit längerem militärisch genutzt worden. Oberst Fitz sagt, das sei schon vor 1955 der Fall gewesen, noch vor der Unabhängigkeit der Zweiten Republik samt Gründung des neuen Bundesheeres aus der Vorgängertruppe "B-Gendarmerie": Nämlich durch die französische Armee ab 1945.

Die militärische Nutzung begann aber sogar noch früher: Da ist die Rede von älteren Bunkern in der Gegend, die erst die Franzosen gesprengt hätten („Auf deren Trümmern haben wir geübt", erzählt Fitz), und dass die Garnisonen des alten Bundesheers in Vorarlberg schon ab 1931 dort geübt hätten. Sogar in Form von Artillerieschießen mit Zielgebiet Rohrspitz. Das ist eine unbewohnte Landzunge in den Bodensee und Naturschutzgebiet westlich der Mündung des Neuen Rheins auf dem Gebiet der Gemeinde Fußach, wenig mehr als vier Kilometer Luftlinie vom Übungsplatz in Bregenz entfernt. Für Artillerieschießen ist das nicht eben eine große Distanz, man wird vor allem auch mit Granat- und Minenwerfern geschossen haben.

Die Bauherrn vom neuen Jägerbataillon 23

Irgendwann Ende der 1950er-Jahre also hätten, erzählt Oberst Fitz, Pioniere des 1956 gegründeten Vorarlberger Jägerbataillons 23 den Panzer im Wald aus Beton gegossen. Wann exakt, und wieso als T-34, ist leider unklar. Vielleicht, weil er eben grundsätzlich eine bekannte Kriegs-Ikone ist, von der die Russen Österreich 1955 beim Abzug übrigens 27 Stück (nach anderen Quellen 37) geschenkt hatten. Einer der letzten Vorarlberger Zeugen, der bekanntermaßen am Betonpanzer mitgebaut hat, ist leider vor Jahren gestorben.

Männer des neuen Jägerbataillons 23 in Bregenz, 1956 (der Mann links mit dem Hut in der Hand könnte Landeshauptmann Ulrich Ilg sein)
Männer des neuen Jägerbataillons 23 in Bregenz, 1956 (der Mann links mit dem Hut in der Hand könnte Landeshauptmann Ulrich Ilg sein)Bundesheer/Gebhard Dür
Die Uniform noch nach deutschem Schnitt, die Bewaffnung zumindest teilweise russisch (siehe die PPSch-41-Maschinenpistolen in der vorderen Reihe).
Die Uniform noch nach deutschem Schnitt, die Bewaffnung zumindest teilweise russisch (siehe die PPSch-41-Maschinenpistolen in der vorderen Reihe).Bundesheer/Gebhard Dür

Wozu der Betonpanzer diente? Laut Oberst Fitz kamen „meist einmal im Jahr" einige Panzer aus dem Osten. Etwa aus Salzburg, wo 1956 bis 1994 das Panzer- bzw. Jagdpanzerbataillon 7 stand, mit Fahrzeugen wie M-24 Chaffee, M-47 Patton, Kürassier. „Mit denen", erzählt Fitz, „haben wir Panzernahbekämpfung geübt. Sich anschleichen, überrollen lassen, Minenattrappen anbringen, Nebeltöpfe ans Rohr hängen, natürlich auch bei fahrendem Panzer."

Die Sache mit den Molotowcocktails

"An einer bestimmten Strecke waren Betonröhren vergraben. Da standen Soldaten drin. Wenn der Panzer gekommen ist, hat man sich geduckt, er ist drübergerollt, dann ist man aus der Röhre gesprungen und hat von hinten Haftminen raufgeworfen. Was man aber nicht gut tun konnte, war, Molotowcocktails auf die Panzer zu werfen. Und dafür etwa gab es den Betonpanzer."

Oberst Fitz hat für die "Presse" tatsächlich einige alte Fotos ausgegraben. Sie stammen von 1968. Damals war eine Abteilung des Panzerbataillons 7 aus Salzburg für rund eine Woche mit sechs leichten Kampf/Aufklärungspanzern M-41 "Walker Bulldog" und einem Saurer-Schützenpanzer in Vorarlberg. An der Ach übte man mit dem Jägerbataillon 23 Panzernahbekämpfung und Zusammenarbeit von Panzern mit Infanterie.

M-41-Panzer im Übungsgebiet an der Bregenzer Ach, 1960er-Jahre
M-41-Panzer im Übungsgebiet an der Bregenzer Ach, 1960er-JahreFitz/BMLV
Fitz/BMLV
Fitz/BMLV
Schützenpanzer Saurer nimmt ein Bad im See
Schützenpanzer Saurer nimmt ein Bad im SeeFitz/BMLV
Panzernahbekämpfung!
Panzernahbekämpfung!Fitz/BMLV

Spätestens 1991, vor bald 30 Jahren also, verließ das Bundesheer dieses Übungsgebiet, als es zum Kern eines größeren Naturschutzgebietes am Bodensee erklärt wurde. „Den Panzer haben wir dort belassen und nicht etwa abgetragen", sagt Fitz. „Der war eh in einem Randbereich. Und es hat sich auch nie jemand aufgeregt."

Panzer finden seither durchaus noch bisweilen ihren Weg nach Vorarlberg, in der Regel zu Leistungsschauen. Insgesamt bleiben solche Ungetüme im Ländle aber weiter extreme stählerne Raritäten.

Seltenes Bild: Bergepanzer M88 in Dornbirn, das war allerdings 2016.
Seltenes Bild: Bergepanzer M88 in Dornbirn, das war allerdings 2016.Bundesheer/Vzlt Sigi Schwaerzler
Leopard II, Radpanzer Pandur, Kampfschützenpanzer Ulan, Bergepanzer M88, anno 2016 am Rand der Dornbirner Herbstmesse
Leopard II, Radpanzer Pandur, Kampfschützenpanzer Ulan, Bergepanzer M88, anno 2016 am Rand der Dornbirner HerbstmesseBundesheer/Vzlt Sigi Schwaerzler
Panzerhaubitze M-109, anno 2009 im Hohenemser Steinbruch
Panzerhaubitze M-109, anno 2009 im Hohenemser SteinbruchBundesheer/Vzlt Schwärzler Sigi

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Video zum T-34:

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Diese Geschichte entstammt einer etwas kürzeren Version im Magazin "Thema Vorarlberg", Ausgabe November 2018.

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