Erdrutschsieg für Ungarns Rechte

Viktor Orban
Viktor Orban(c) AP (Bela Szandelszky)
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Parlamentswahlen: Orbán deklassierte mit mehr als 52 Prozent Stimmenanteil die Sozialisten. Auf ihn warten ein harter Sparkurs und notwendige Reformen, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Budapest. Ungarn erlebte an diesem Wochenende eine radikale politische Wende. Die oppositionellen rechtskonservativen Jungdemokraten (Fidesz) unter Ex-Regierungschef Viktor Orbán (1998-2002) landeten einen Erdrutschsieg. Sie kamen nach Auszählung von 99,1 Prozent der Stimmen auf 52,76 Prozent Stimmenanteil, was eine Zweidrittelmehrheit im 386-köpfigen Parlament bedeutet. In ersten Exit-Polls nach der Wahl lag die Partei noch etwas höher: Diese gingen von 54 bis 57 Prozent der Stimmen aus.

Dem Erfolg von Fidesz stand ein verheerendes Abschneiden der regierenden Sozialisten (MSZP) gegenüber. Wie schon bei den Europawahlen im Vorjahr erlitten sie auch dieses Mal eine Wahlschlappe. Die MSZP kam auf 19,4 Prozent der Wählerstimmen und damit auf die Hälfte ihrer Stimmen von 2006.

Drittstärkste Kraft im Parlament wird in den kommenden vier Jahren die rechtsradikale, xenophobe Partei Jobbik („Für ein besseres/rechteres Ungarn") mit 16,70 Prozent der Stimmen. Als vierte politische Kraft gelang auch der erst im Vorjahr gegründeten Grün-Partei LMP mit 7,43 Prozent der Sprung ins Parlament.

Die neue Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán wird in den kommenden vier Jahren einen riesigen Problemberg zu bewältigen haben. Zum einen ist da die starke politische Polarisierung im Land, die nicht zuletzt Orbán und seine Fidesz vom Zaun gebrochen haben. Wollen die Jungdemokraten die politisch gespaltene Nation wiedervereinen, wie es von vielen Menschen herbeigesehnt wird, müssen sie von ihrer bisherigen Politik Abstand nehmen, die darauf abzielte, die politische Linke als Hort korrupter Kommunisten zu brandmarken.

Dasselbe gilt aber auch für die Sozialisten, die Orbán wiederholt eine demokratische Gesinnung abgesprochen und ihn ins faschistische Eck gestellt haben. Eine politische Aussöhnung des Landes wird vor allem deshalb ein schwieriges Unterfangen sein, weil das Gros der ungarischen Wähler die Zugehörigkeit zu einem politischen Lager gleichsam als Glaubensfrage auffasst und den politischen Gegner verteufelt. Allerdings: Ein gemeinsamer Nenner könnte sich im Kampf gegen Jobbik und den Rechtsradikalismus anbieten.

Die neue Regierung muss aber vor allem den Reformstau überwinden. Seit der Wende 1989/90 versäumten es sämtliche Regierungen, strukturelle Anpassungen auf den Weg zu bringen. Reformen auf so wichtigen Gebieten wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung harren noch immer der Umsetzung.

Zwar versuchte die zweite Regierung unter dem Sozialdemokraten Ferenc Gyurcsány (2006-2009), notwendige Schritte zu setzen, doch scheiterte sie an ihrem eigenen Ungestüm. Sie wollte ihre Reformpolitik „von oben" durchpeitschen, was in einem ohnehin reformfeindlichen Land wie Ungarn zwangsweise zum Scheitern verurteilt war.s

Niedrige Beschäftigungsrate

Solange keine tiefgreifenden Reformen umgesetzt werden, wird die ungarische Wirtschaft weiterhin im Argen liegen. Die Beschäftigungsrate ist eine der niedrigsten in der EU. Zur Veranschaulichung: Von rund zehn Millionen Einwohnern in Ungarn sind nur etwa 2,6 Millionen Personen als Arbeitskräfte registriert. Obendrein sind in dieser Zahl auch die rund 700.000 Staatsbediensteten enthalten.

Die mangelnden Steuereinnahmen durch geringe Beschäftigung und die weit verbreitete Steuerhinterziehung führten unweigerlich zu einem weiteren Problem: der horrenden Steuerlast. Ein Teufelskreis, der die Wettbewerbsfähigkeit und den Inlandskonsum einschränkt. Während mittlerweile in Ungarn 54 Prozent der Lohnkosten an den Staat entrichtet werden, liegt dieser Wert in Polen oder in der Slowakei bei 38 Prozent.s Die zweite Runde der Parlamentswahl folgt am 25. April. Dann wird es in jenen Wahlkreisen zur Stichwahl kommen, in denen es gestern noch keine Entscheidung gab.

In Zahlen

■ Preise. In den acht Jahren sozialdemokratischer Regierung haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel in Ungarn zwischen 50 und 90 Prozent erhöht. ■ Schulden. Die Staatsschulden stiegen um 25 Prozent. ■ Arbeitslosigkeit. Im Vergleich zu 2002 gibt es nun doppelt so viele Arbeitslose (11,4 Prozent).

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