Ariana Grandes fünftes Album: Liebe im Zeitalter des Narzissmus

Selbstgeißelung einer Narzisstin: „7 Rings“.
Selbstgeißelung einer Narzisstin: „7 Rings“. (c) Screenshot
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Guter Kommerzpop, auch inhaltlich gesehen: Auf „Thank U, Next“ erwägt Ariana Grande eine „Einzelhandelstherapie“ gegen Trennungsschmerzen.

Allein das Video zu ihrem aktuellen Hit „7 Rings“ umweht etwas Düsteres. Vordergründig sieht man das bunte Treiben von Fräuleins. Sie räkeln sich im luxuriösen Ambiente innerhalb und außerhalb des pseudobarocken Gemäuers. Ein Traum in Lila und Rosa. Neckisch wackelt die 25-jährige Ariana Grande auf Küchentisch und Bettstätten herum, singt über Mädchen, die gern Probleme machen. Was zunächst wie eine Hymne auf weibliche Selbstermächtigung anmutet, entpuppt sich bald als eine Art Selbstgeißelung einer Narzisstin, die eine eben erfolgte Trennung mit Konsumräuschen abfedern will. „I want it, I got it“, lautet der Refrain, in dem sie gefangen ist. „I'd rather spoil all my friends with my riches, think retail therapy my new addiction.“


Einzelhandelstherapie? Das vertrackte Lied, das mit der alten Rodgers/Hammerstein-Melodie „My Favourite Things“ flirtet, führt vor, welche dramatischen Folgen es haben kann, wenn man seine libidinösen Energien vor allem ins Ich investiert. Verlust von Eros und Leere sind die Folge. Im Ideal funktionieren Lieder Grandes auf mehreren Ebenen. Aufgewachsen in Florida, im Sunshine State, hat sie mehr als bloß ein sonniges Gemüt. Hinter ihrer vordergründigen Bravheit lauert solide Angst. Die nicht grundlos ist. So explodierte nach einem ihrer Konzerte in Manchester eine Bombe, die 22 Opfer gefordert hat. Etwas mehr als ein Jahr danach starb der Rapper Mac Miller an einer Überdosis. Ihn, aber auch andere ihrer Ex-Freunde, etwa Big Sean, macht sie im Titelsong „Thank U, Next“ – der im November zu ihrem ersten Nummer-eins-Hit in den USA wurde – zum Thema. „One taught me love, one taught me patience, and one taught me pain“, singt sie mit betörender Stimme. Ihre Conclusio ist vage: „Look what you taught me, and for that I say, thank you, next.“

Die Liebe ist ihr eine Universität des Lebens, jeder Liebhaber nur ein Stein auf dem Weg ins Licht der Erkenntnis. Trotz dieser eher nüchternen Art von Trennungsbewältigung beschwört Grande in ihren neuen Liedern die Kraft von romantischen Beziehungen und erotischen Bedürftigkeiten. „Needy“ heißt ein Schlüsselsong. Mit biegsamer Stimme singt Grande: „I admit that I'm a little messed up, but I can hide it when I'm all dressed up.“ Das schöne Kleid als Rüstung? „You can go ahead and call me selfish“, singt Grande, „but after all this damage I can't help it.“ Ihr für die Grammy-Award-Zeremonie eigens geschneidertes Schneewittchenkleid präsentierte sie, nachdem sie wegen Unstimmigkeiten mit den Produzenten der Show abgesagt hatte, trotzig ihren 144 Millionen Followern auf Instagram. Eines dieser Bilder zeigt ein Hündchen, das im bauschigen Saum ihres Kleides Schutz sucht.

Erstmals probiert sich Grande auch in der Rolle der Bösewichtin. „Break Up With Your Girlfriend, I'm Bored“ zelebriert recht lebhaft aufkommende Stutenbissigkeit. Musikalisch ist ihr „Thank U, Next“ nicht so funky wie das von Pharrell Williams produzierte Vorgängeralbum „Sweetener“. Recht dezent löst Grande R&B, Trap und EDM in ihre Marke von massenkompatiblem, aber nie flachem Pop auf. Das hat sich offenbar gelohnt. Zwei Songs schnalzten auf Platz eins der US-Hitparade. Um so kurioser, dass ihr die Produzenten der heurigen Grammy-Show verbieten wollten, diese zu singen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2019)

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