Nur beschränkte Chancen für die Güterbim

Die G�terBim f�hrt
Die G�terBim f�hrt(c) Wiener Linien
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City-Logistik. Auf der Suche nach nachhaltigen Gütertransportlösungen für die „letzte Meile“ werden Straßenbahnen, Seilbahnen und Elektrotrucks aufs Tapet gebracht. Pilotprojekte sollen das Terrain erkunden.

Nahezu alle Großstädte machen sich aufgrund der zunehmenden Urbanisierung Gedanken über wettbewerbsfähige City-Logistik. Bei verstopften Hauptverkehrsadern wittern Logistiker im Schienennetz eine Möglichkeit, die Güter staufrei von Umschlagzentren auf die letzte Meile zum Kunden zu schicken. In Zürich kommt seit Jahren eine Cargo-Tram für Sperrmülltransporte zum Einsatz. In Saint-Étienne in Frankreich nutzt man ausrangierte Trams als Güterbahnen. Moskau setzt die U-Bahn für die rasche Paketzustellung ein. Aktuell diskutiert man in Deutschlands Hauptstadt rund um die Umsetzung des riesigen „Berliner City-Hub“ die Integration einer eigenen Gütertram, und auch Frankfurt testet ein Revival der Cargo-Straßenbahn in der hessischen Finanzmetropole.

Praktische Probleme

Sebastian Stütz vom Team Elektromobilität und Urbane Logistik am Fraunhofer IML in Dortmund ist bei diesem Thema allerdings zwiegespalten. „Einerseits gibt es über eine vorhandene Tram die Möglichkeit, in die Stadt zu kommen und relativ große, schwere Lasten zu transportieren. Andererseits bedeutet jeder Gütertransport Einschnitte im Personenverkehr.“ Daniela Kirsch, Leiterin des Teams Verkehrslogistik, berichtet von Studien, „aus denen hervorgeht, dass in vielen Städten im Kerngebiet die Straßenbahnhaltestellen unterirdisch liegen und es das Problem des Be- und Entladens gibt.“ Man müsste Investitionen tätigen, um Lastenaufzüge und entsprechende Laderampen zu integrieren. Unabhängig von den ökonomischen Schwierigkeiten ist im Augenblick aber der ökologische Faktor eine der Stärken der Gütertram: Die meisten Straßenbahnen fahren effizient mit Strom – im günstigsten Fall sogar mit Strom aus Wasserkraft. „Wer Gütertramkonzepte überlegt, sollte sich jedoch ernsthaft fragen, ob in zehn Jahren nicht der E-Truck die wesentlich kostengünstigere und genauso ökologische Alternative ist“, sagt Stütz. „Sobald der E-Truck in nennenswerten Stückzahlen kommt, ist für die urbane Logistik das Thema Verkehrslärm praktisch vom Tisch und das Emissionsproblem beginnt, sich aufzulösen.“

Wien hat das weltweit sechstgrößte Straßenbahnnetz. Und trotzdem ist das kein Freibrief für die Logistikbim. „Das Thema ist bei uns nicht neu“, sagt Wiener-Linien-Pressesprecher Daniel Amann. Bereits 2004/05 wurde eine Machbarkeitsstudie unternommen. „Letztlich kam heraus, dass der große Vorteil der Wiener Linien gleichzeitig den entscheidenden Nachteil für den Gütertransport darstellt. Wien punktet mit sehr kurzen Intervallen. Für Güterbims bleibt kein Platz, ohne dass dies auf Kosten des Personenverkehrs gehen würde.“ Zudem wären große Infrastrukturinvestitionen notwendig, um auch Unternehmen ins Schienennetz zu integrieren.

Graz testet Seilbahn

In Graz setzt man stattdessen auf die Seilbahn. Im Rahmen des Projekts „Ropeway Pot II“ will man herausfinden, ob eine urbane Gütergondel als Last Mile Vehikel funktionieren würde, nachdem eine Vorstudie ergeben hatte, dass eine derartige Lösung durchaus Potenzial hätte. Ziel wäre eine kombinierte Güter-Personen-Seilbahn, die zu einer Reduktion des Straßengüterverkehrs im Stadtzentrum beiträgt. Das Ergebnis soll im März vorliegen. Neben dem Planungsbüro Planum, das die Gesamtleitung hält, beteiligen sich an dem Projekt das Seilbahnunternehmen Leitner Ropeways sowie das Institut für Straßen- und Verkehrswesen und das Institut für technische Logistik der TU Graz. „Die Logistiker erstellen ein System, wie die Güterseilbahn betrieblich funktionieren kann. Wir führen Verkehrssimulationen durch und berechnen, ob der Gütertransport eine Auswirkung auf den Personentransport hat“, erklärt Karl Hofer von der TU Graz die Vorgehensweise. Im Zentrum des Projekts stehen Paketlieferungen.

VISIONEN DER ZUKUNFT

Autohersteller Renault will spätestens 2030 mit dem voll automatisierten, elektrischen Konzeptfahrzeug EZ-PRO für die letzte Meile auf der Straße unterwegs sein. Auf der CES19, der weltgrößten Consumer-Elektronik-Messe in Las Vegas, stellte Continental sein „Last Mile“-Konzept Cube (Continental Urban Mobility Experience) vor, bei dem ein autonomes Fahrzeug kleine Roboterhunde an Bord hat, die Pakete bis vor die Haustür der Kunden bringen.

In Göteborg werden schon jetzt kleinteilige Lieferungen im Stadtzentrum gebündelt und danach mit elektrisch betriebenen Transportfahrzeugen und Lastenrädern ausgeliefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2019)

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