Nachruf: Der Mythos der Carolee Schneemann

Die Presse (Clemens Fabry)
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Am Mittwoch starb mit Carolee Schneemann (79) in den USA eine der einflussreichsten feministischen Künstlerinnen überhaupt.

Sie war noch am ehesten die Wiener Aktionistin, die wir nie hatten (es waren in der Kernzeit nur Männer): Während diese Aktionisten hierzulande Anfang der 1960er Jahre also Frauenkörper versumpften und beschütteten, tat Carolee Schneemann ähnliches in New York, allerdings in Eigenregie. In ihren Happenings flogen rohes Fleisch und Farbes und krochen die Schlangen auf ihren nackten Körper (und den von anderen). „Meat Joy“ hieß ihre legendäre dionysische Performance-Party 1964 in Paris.

Im selben Jahr setzte Schneemann noch einen Meilenstein für die feministische Avantgarde: Sie begann ihren experimentellen Film „Fuses“, einen Gegenentwurf zur Pornofilmindustrie, die männliche Blicke bedient. Jahrelang filmte sie ihren Lebensgefährten und sich beim Sex, es gilt als das erste Mal, dass ein realer sexueller Akt als Kunst gezeigt wird. Mit Pornografie hat das nichts zu tun: Dieser collageartige, von Schneemann händisch nachbearbeitete, fast abstrakte Stummfilm ist ein malerisches Porträt des Liebemachens, um das Wort zu verwenden, das ihrer Intention wohl noch am nächsten kommt. Und das ganze ist noch dazu aus dem Blickwinkel ihrer schwarzen Katze Kitch aufgenommen.

Am Mittwoch starb diese Ikone der feministischen Kunst im Alter von 79 Jahren, wie ihre New Yorker Galerie bekannt gab. Der Einfluss ihrer Arbeit, die sie übrigens immer als Malerei verstanden wissen wollte, auf kommende Performance-Künstlerinnen ist gar nicht zu überschätzen. Auch für sie kam allerdings, wie für viele Künstlerinnen ihrer Generation, die Anerkennung erst spät. Das Museum der Moderne in Salzburg unter Direktorin Sabine Breitwieser trug dazu bei: 2015 widmete sie Schneemann die erste umfassende Retrospektive, die 2017 ins MoMA PS1 nach New York weiterging. Im selben Jahr erhielt sie den Goldenen Löwen der Biennale Venedig für ihr Lebenswerk.

„Ich habe eine mythologische Geschichte“, beschrieb Schneemann 2013, als sie im Kunstraum am Friedrichshof ausstellte, der „Presse“ ihre schwierige Karriere: „Am Anfang war es zu früh, da wollte man einer so jungen Frau keine Autorität zusprechen. Dann war es zu spät. Und als das Werk bekannt wurde, war ich nicht vernetzt.“ (sp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2019)

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