Hüttengaudi exklusiv für die Elite

Für die frühe touristische Skiausbildung wurde auf militärische Techniken zurückgegriffen (Bild: Gebirgsjäger).
Für die frühe touristische Skiausbildung wurde auf militärische Techniken zurückgegriffen (Bild: Gebirgsjäger).awkz / Interfoto / picturedesk.com
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Historisch betrachtet ist der alpine Skisport ein junges Phänomen. Robert Groß hat seine Auswirkungen aus sozialökologischer Perspektive unter die Lupe genommen.

Die Wintersaison neigt sich dem Ende zu, und für die unzähligen kleinen Skigebiete im Land setzt sich ihr Abschied auf Raten fort. In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wird sich das Gesicht des Skitourismus massiv ändern. Zu erwarten ist eine Konzentration auf einige wenige große, technisch aufgerüstete und damit sehr hochpreisige Skiorte. Schon jetzt versuchen Tourismusverbände gezielt, betuchte Schichten aus Südostasien sowie aus dem arabischen Raum in die Alpen zu locken.

Demontage einer Skination

Die Skination Österreich macht einer globalen Elite auf den Pisten Platz. Historisch gesehen schließt sich damit ein Kreis. „Wie ehemals wird der Skisport wieder zu einem sehr elitären, hochpreisigen Phänomen“, sagt Umwelthistoriker Robert Groß (Uni Innsbruck und Boku Wien). „In der Mitte des 21.Jahrhunderts wird es in den Alpen wieder wie im 19. Jahrhundert sein, als nur die Aristokratie reisen konnte.“ Sechs Jahre lang erforschte Groß die Entwicklung des Wintertourismus aus einer sozialökologischen Perspektive. Jetzt hat er seine Erkenntnisse in einer Monografie gebündelt.

„Die Beschleunigung der Berge. Eine Umweltgeschichte des Wintertourismus in Vorarlberg/Österreich“, so der Titel des Buchs, das am 12. März um 18.15 Uhr in der Hauptbibliothek der Boku Wien präsentiert wird. Groß schreibt gegen ein lineares Fortschrittsnarrativ der technischen Machbarkeit an, das häufig bemüht wird, wenn die Geschichte des Skisports erzählt wird. Darin würden die Konflikte, aber auch die Lernprozesse, mit denen Wintertouristiker in den Alpen konfrontiert waren und immer noch sind, ausgeblendet. Der Forscher zeigt, dass viele technologische Weiterentwicklungen im Wintersport auch daraus resultierten, dass auf Nebenwirkungen von Innovationen reagiert werden musste. Er nennt diese Entwicklung Beschleunigung der Berge – analog zur sogenannten „großen Beschleunigung“ im Entwicklungsverlauf des Anthropozäns, womit der dramatische Anstieg von u.a. Energieverbrauch und CO2-Ausstoß in den 1950er-Jahren beschrieben wird.

Der Wintertourismus setzte im späten 19. Jahrhundert gemächlich an: Damals etablierte sich neben dem Alpinismus der Adeligen im Sommer die Winterfrische der Oberschicht in den Luftkurorten. Nach dem Ersten Weltkrieg, der ein gewaltiger Katalysator für technische Neuerungen war, sickert der Wohlstand auch in darunterliegende Schichten. Diese wollten ihren knapp bemessenen Urlaub effizient nutzen. Als Folge wurde die Ausbildung im Skilauf rationeller gestaltet – und zwar nach der Arlbergtechnik, die entwickelt wurde, um eine große Zahl von Soldaten in relativ kurzer Zeit bergfähig zu machen.

In der Modernisierungsspirale

Einen weiteren Wandel brachte die Erfindung des Skilifts und die damit einhergehende Veränderung des winteralpinistischen Erlebnisses. Die Lifte beschleunigten zwar den Weg zum Berg, brachten aber immer längere Wartezeiten mit sich. „Die Seilbahnindustrie löste dieses Problem“, so Groß. „Doch der Flaschenhals Aufstieg verlagerte sich in den 1970er-Jahren auf die Abfahrt: zu viele Leute, zu wenig Schnee.“ An diesem Punkt setzte schließlich der massive Landschaftsumbau ein. Der hausgemachte Schneemangel wurde erst über neu gebaute Pisten und schließlich über Technologie – Pistenraupen, Beschneiungsanlagen – kompensiert.

Nicht zuletzt durch den Klimawandel scheint der Zenit mittlerweile erreicht. „Als Gesellschaft sind wir für den Rückzug des Wintertourismus nicht besonders gut gewappnet“, bemängelt Groß das Fehlen von Utopien für die kleinen, vom Zusperren bedrohten Skiregionen. Er selbst verlässt für sein aktuelles Forschungsprojekt, in dem er die Rolle des US-amerikanischen Marshallplans für den Aufbau der europäischen Infrastruktur untersucht, die regionale Perspektive. Allerdings nutzt er dafür seine Expertise über die Beschleunigung der Berge: „Die sozialökologischen Nebenwirkungen aus dem Infrastrukturbau in regionalen Skigebieten lassen sich auch global festmachen.“

Robert Groß
„Die Beschleunigung der Berge“
Böhlau
361 Seiten
52 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2019)

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