Britisches Parlament erteilt Hard Brexit Absage

Theresa May verteidigte im Unterhaus erneut ihren Deal, als hätte es kein Votum dagegen gegeben.
Theresa May verteidigte im Unterhaus erneut ihren Deal, als hätte es kein Votum dagegen gegeben.Reuters
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Als nächstes stimmen die Abgeordneten am Donnerstag über eine Verschiebung des EU-Austritts ab. Die Geduld Brüssels mit London kommt aber langsam an ein Ende.

London. Das britische Unterhaus hat einem harten Brexit eine Absage erteilt. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch mit 321 zu 278 Stimmen einem Antrag zu, die EU nicht ohne Austrittsabkommen zu verlassen. Zuvor hatte das Unterhaus auch einer Initiative mit vier Stimmen Mehrheit zugestimmt, eine von der Regierung ursprünglich vorgesehene Befristung mit 29. März aufzuheben. Um rechtlich bindend zu werden, muss freilich erst das Brexit-Gesetz geändert werden.

In einer ersten Reaktion erklärte Premierministerin Theresa May: „Es liegt nun am Parlament herauszufinden, was es will.“ Alle Optionen seien offen: Ihr vorliegender (schon zweimal abgelehnter) Deal, kein Brexit – „zutiefst schädigend für das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik“ – oder eine völlig neues Abkommen, wobei „die EU bereits gesagt hat, dass sie dazu nicht bereit ist“, wie May die Abgeordneten erinnerte.

Zur weiteren Vorgangsweise bekräftigte sie ihr Festhalten an ihrem ursprünglichen Zeitplan. Bereits am Donnerstagabend soll das Unterhaus über eine „kurze, technische Verlängerung“ bis 30. Juni 2019 entscheiden. Kommt es aber nicht „in wenigen Tagen“ zu einer Lösung im britischen Parlament, werde man eine „viel längere Fristverlängerung“ benötigen, womit Großbritannien auch an den Europawahlen teilnehmen werde. „Das Parlament muss sich der Konsequenzen seiner Haltung klar werden“, forderte May von den Abgeordneten.

Gerüchte über Ministerrücktritte

Der Antrag auf eine dauerhafte Festlegung, keinen harten Brexit zu akzeptieren, war eine weitere Niederlage der Regierung. Die konservative Fraktion war gegen den Antrag eingeschworen worden. Im Unterhaus machten nach dem Votum Gerüchte über hochrangige Ministerrücktritte oder -entlassungen die Runde. Obwohl rechtlich nicht bindend, kann politisch niemand an der Entscheidung vorbei.

Die Regierung scheint damit fürs Erste alle Karten ausgespielt zu haben. Das Parlament hält aber ebenfalls keine Trümpfe mehr in der Hand. Bisher haben die Abgeordneten nur Anträge zur Abänderung von Regierungsvorlagen stellen dürfen. Eine grundlegende Änderung der Vorgangsweise würde vielleicht eine Mehrheit bringen, aber, wie May sagte, eine „lange Verlängerung“ des Brexit nach sich ziehen. Genau davor warnte etwa Handelsminister Liam Fox in seiner Debattenschlussrede: „Das Schlimmste wäre, wenn uns der Brexit verloren geht.“

Eine Variante für die nächsten Schritte, über die in London bereits heftig spekuliert wurde, war eine Serie von Probeabstimmungen im Parlament, bei denen eine mehrheitsfähige Variante durch Versuchsverfahren ermittelt wird. May hat dies bisher aus Angst abgelehnt, dass am Ende von ihren Brexit-Positionen nichts übrigbleiben wird. So wie die Hardliner in ihrer Fraktion will May einen Austritt aus dem Binnenmarkt, der Zollunion und dem Europäischen Gerichtshof.

Brüssel verliert die Geduld

Es wird erwartet, dass May nach der Abstimmung über eine Verlängerung des Brexit dem EU-Gipfel Ende der kommenden Woche einen entsprechenden Antrag vorlegen wird. Die Geduld Brüssels mit London kommt aber langsam an ein Ende: „Wie nehmen das Abstimmungsergebnis zur Kenntnis“, reagierte die EU-Kommission betont kühl auf die Ablehnung des harten Brexit. „Es gibt nur zwei Wege, die EU zu verlassen: mit oder ohne Abkommen. Um No Deal vom Tisch zu nehmen, ist es nicht genug, gegen No Deal zu stimmen. Dafür muss man auch einem Deal zustimmen.“ Davon sind die britischen Abgeordneten aber weiter weit entfernt, ebenso wie ihre Regierung.

Die Abstimmung von Mittwochabend signalisierte aber eine deutliche Schwächung der Brexit-Hardliner. Nicht nur sprach sich eine Mehrheit des Unterhauses gegen den EU-Ausstieg ohne Vereinbarung aus, ihr eigener Antrag auf einen „geregelten Hard Brexit“, bei dem Einzelregelungen die schlimmsten wirtschaftlichen Folgen vermeiden sollen und die Grenze zwischen Nordirland und Restgroßbritannien offen bleiben soll, wurde mit 210 Stimmen abgelehnt. Es war die größte Mehrheit an diesem Abend.

Aus der Parteiführung hieß es: „Von jenen, die gegen die Regierungslinie gestimmt haben, wird erwartet, dass sie zurücktreten, und von jenen, die mit der Regierung gestimmt haben, dass sie bleiben.“ Ein Köpferollen könnte also bevorstehen.

>> Die letzten Optionen: Verschoben oder hart? [premium]

Auf einen Blick

Das britische Parlament hat sich am Mittwoch gegen einen EU-Austritt ohne Vertrag ausgesprochen. Einen Brexit ohne Abkommen will die Mehrheit der Abgeordneten nach diesem Votum auf jeden Fall verhindern. In einer zweiten Abstimmung über das Gesamtpaket votierten 321 Abgeordnete gegen den No-Deal-Brexit und 278 dafür - die Entscheidung fiel damit deutlicher aus als in der ersten Runde..

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2019)

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