"Kick-Ass" im Kino: Gewaltbereite Comic-Figuren

(c) UPI/APN (Daniel Smith)
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In „Kick-Ass“ verwandelt sich wieder ein Pubertierender in einen Superhelden. Zeitgeistige Inhaltsstoffe werden schärfer gewürzt, als für gewöhnlich erlaubt. Ab Freitag.

Das Zielgruppenmarketing läuft seit Monaten auf Hochtouren. Auf Comics spezialisierte Internetseiten zeigen exklusives Bildmaterial und vermelden mit kindlicher Freude, dass die Filmversion von „Kick-Ass“ der Comic-Vorlage (der Titelaufdruck der zweiten Ausgabe verspricht immerhin „Übelkeit erregende Gewalt“) um nichts nachstehen wird.

Der Comic „Kick-Ass“, von Autor Mark Millar und Illustrator John Romita jr. erstmals 2008 unters Volk gebracht, erfreut sich auch deshalb so großer Beliebtheit, weil er einen aus dem inneren Kreis zur Hauptfigur macht. Dave Lizewski (als prototypischer Verlierer zu hübsch: Aaron Johnson) aus New York City ist unsichtbar, jedenfalls für seine Mitschülerinnen. An einem gewöhnlichen Tag masturbiert er (zu Fantasien von seiner großbusigen Englischlehrerin), sitzt in der Schule, himmelt seinen Schwarm Katie an, lungert mit seinen besten Freunden im Comic-Laden herum, sitzt zu Hause vor dem Computer und masturbiert erneut (dann zu Bildern von nackten afrikanischen Frauen, über die er ein Referat halten soll).

Die Lösung all seiner Probleme erscheint so ungeheuerlich wie naheliegend: Mit einem algengrünen Tauchanzug verwandelt sich Dave in Kick-Ass, einen realen Superhelden, der die Straßen New Yorks von kriminellem Gesindel befreien und den Burschen hinter der Maske populärer machen soll. Trotz schmächtiger Statur, fehlender Spezialfähigkeiten und etlicher Niederlagen entwickelt sich eine Hysterie rund um den kostümierten Erlöser. Regisseur Matthew Vaughn (Stardust) hat sichtlichen Spaß daran, Dave die feinen Trennlinien zwischen Wirklichkeit und Fantasie erforschen zu lassen: Die Idee, einen Superhelden im Werden zu zeigen, ist so neu allerdings nicht.

Sam Raimi ließ seinen unscheinbaren Schuljungen Peter Parker zuerst Tollpatsch sein und von Hauswänden stürzen, bevor er als Spider-Man (2002) wiederauferstehen durfte. Insofern variiert auch die Comic-Vorlage von Kick-Ass nur zeitgeistige Inhaltsstoffe, würzt sie aber schärfer, als für gewöhnlich erlaubt.

Polizist schießt auf „Hit Girl“

Spätestens wenn der psychotische Expolizist Damon Macready alias „Big Daddy“ (eine Erscheinung: Nicolas Cage) seiner Tochter Mindy alias „Hit Girl“ (frech, famos: Chloë Moretz) mit einem Revolver in die Brust schießt, das Mädchen sich das rauchende Geschoß von der kugelsicheren Weste klopft und das Belohnungseis verlangt, weiß man um Vaughns Bereitschaft, die Geschmacksgrenzen zu überschreiten. Das dynamische Vater-Tochter-Duo jedenfalls bunkert ein umfangreiches Waffenarsenal in seiner Wohnung und kommt Kick-Ass zu Hilfe, als der von wieder einem anderen Neo-Superhelden namens „Red Mist“ (Christopher Mintz-Plasse) in einen Hinterhalt gelockt wird.

Zierliches Mädchen schimpft vulgär

Der Regisseur spielt beim folgenden Action-Crescendo, in dem das zierliche Mädchen ihre Gegner vulgär beschimpft, bevor sie ihnen mit dem Schwert zu Leibe rückt, elegant zwischen abgeschnittenen Gliedmaßen durchtaucht, bewusst die Trumpfkarten der Vorlage aus: Die übersteigerte Comic-Gewalt und die derbe Sprache können die inszenatorischen Schwächen allerdings nur bedingt verschleiern. Wenngleich Kick-Ass durchgehend Spaß macht, sind einfach zu viele Gags zu absehbar, scheint sich hinter dem marketingstrategisch schlau platzierten Kult- und Tabubrecher-Etikett nicht mehr sonderlich viel zu rühren.

Anarchisch ist bei Kick-Ass nur die Erzählung, und selbst die kommt nicht ohne klassische Elemente aus, weswegen der „extreme“ Film seine Extreme einbüßt und nicht selten an Superheldenklamauk von der Stange erinnert. Hollywood hat sich mit diesem unorthodoxen Projekt einmal mehr selbst abgeschossen. Der coole Konservativismus der Inszenierung bremst das durchschlagende Potenzial aus, sodass das, was letzthin immer auch eine Watschen fürs Establishment sein sollte, nicht viel mehr Schockpotenzial hat als ein Furzwitz beim Schwiegerelternessen.

SUPERHELDENKOMÖDIE

In „Kick Ass“ wird ein ganz normaler Jugendlicher zum Superhelden – mit
Bleirohrknüppeln als Waffen, allerdings
ohne Superkräfte. Der Film, für den Matthew Vaughn die Regie übernahm, folgt dem gleichnamigen Comic. In den USA läuft er seit 12.März, bei uns ab 23.April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2010)

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