Ein synchronisierter Körper dank Yoga-Atmung

Atemtechniken, die seit Jahrtausenden für Yogaübungen eingesetzt werden, schreibt man viele positive Effekte zu.
Atemtechniken, die seit Jahrtausenden für Yogaübungen eingesetzt werden, schreibt man viele positive Effekte zu. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Atemtechniken, die seit Jahrtausenden für Yogaübungen eingesetzt werden, schreibt man viele positive Effekte zu. Grazer Forscher haben nun Hirnareale gefunden, die diese Atmung auch unbewusst auslösen könnten.

Tief durchatmen. Ein Rat, den wohl die meisten schon einmal bekommen haben – wenn eine schwierige Prüfung ansteht, der Stress einmal wieder überhandnimmt oder man kurz davor ist, aus einem unreflektierten Impuls heraus eine Handlung zu setzen.

Den Effekt, den ruhiges Atmen in solchen Situationen auf Körper und Psyche hat, kann man leicht am eigenen Körper testen. Gert Pfurtscheller, Hirnforscher an der TU Graz, sieht in der richtigen Atmung dagegen noch viel größeres Potenzial: „Durch langsames Ein- und Ausatmen kann man nicht nur das Wohlbefinden erhöhen, sondern auch Angst, Schmerz und Stress reduzieren und sogar die motorischen Fähigkeiten, etwa beim Golf- oder Basketballspielen, verbessern.“

Körperrhythmen im Einklang

Der Wissenschaftler untersucht gemeinsam mit dem Gesundheitspsychologen Andreas Schwerdtfeger von der Uni Graz die Auswirkungen der sogenannten Resonanzatmung mit sechs Atemzügen pro Minute auf den Körper. Diese Frequenz von 0,1 Hertz ist nicht zufällig gewählt: Sie entspricht auch einer wichtigen Gruppe von Körperrhythmen, die sich ebenfalls alle zehn Sekunden wiederholen. Pfurtscheller: „Der Blutdruck schwankt in den sogenannten Mayer-Wellen mit 0,1 Hertz, auch das Herzschlagintervall verändert sich in diesem Rhythmus. Und im Gehirn gibt es ebenfalls Schwankungen mit der gleichen Frequenz, die man im EEG sehen kann.“

Senkt man die Atemfrequenz nun bewusst auf dasselbe Intervall – indem man sich je fünf Sekunden Zeit für das Ein- und Ausatmen lässt – braucht das Gehirn besonders wenig Energie und befindet sich daher in einem Optimum, so Pfurtscheller. Ähnliche Rhythmen finden sich auch bei Atemübungen, die seit Jahrtausenden in Yoga und Meditation eine zentrale Rolle einnehmen – auch hier könnten die positiven Effekte auf die Synchronisation der Atmung mit den anderen Körpersystemen zurückzuführen sein, meint der Hirnforscher.

Schrittmacher im Stammhirn

Selbst unbewusst scheint der Körper diese Synchronisation einzusetzen: Probanden mit Klaustrophobie, die in einer MRT-Röhre untersucht wurden, begannen ebenfalls mit einer Frequenz von 0,1 Hertz zu atmen. „Da muss es einen unbewussten Beruhigungsmechanismus im Gehirn geben, der die Atmung auf sechs Atemzüge pro Minute senkt. Das ist vermutlich eine Strategie, um die negativen Emotionen zu reduzieren“, sagt Pfurtscheller. Unklar sei dagegen, welche neuronalen Strukturen diese Rhythmen vorgeben. „Wir haben mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomografie herausgefunden, dass ein solcher Schrittmacher im Cingulum, einer Struktur in der Mitte des Gehirns, liegen könnte. Einen zweiten Kandidaten haben wir im Hirnstamm identifiziert.“

Eine unmittelbare Anwendungsmöglichkeit für seine Erkenntnisse sieht der Wissenschaftler bei medizinischen Untersuchungen in engen Tomografieröhren: Würde man die Patienten mit sechs Atemzügen pro Minute darauf vorbereiten, müssten die teuren Untersuchungen vermutlich seltener abgebrochen werden.

Das Wissen um die Wirkung des langsamen Atmens sei aber in allen Lebenslagen hilfreich, um negative Emotionen zu reduzieren, betont Pfurtscheller. Seine Empfehlung: täglich zehn Minuten Resonanzatmung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2019)

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