Die Reformpläne für die Königsklasse ernten durchaus Verständnis bei Teamchefs wie Toto Wolff. Ferrari-Star Sebastian Vettel hingegen übt scharfe Kritik.
Sakhir. Für die amerikanischen Besitzer der Formel 1 muss die Show stimmen. Um den Unterhaltungswert der milliardenschweren Vollgasbranche zu steigern und die Einnahmen zu erhöhen, drängt Statthalter Chase Carey auf einen Reformkurs seines weltumspannenden Kreisverkehrs. Den Aufbruch in eine schönere neue Formel-1-Welt konnte er jedoch noch nicht verkünden.
Zwölf Monate nach der Vorstellung am Persischen Golf kristallisiert sich das künftige Grundgesetz aber immerhin weiter heraus. „Wir haben massive Fortschritte seit dem vergangenen Jahr gemacht, und wir sind jetzt sehr nah dran zu sagen: ,Das ist es‘“, meinte Careys Sportchef Ross Brawn im TV-Sender Sky. Bis zum Sommer müssen jedenfalls die technischen Regularien stehen, damit die Rennställe in der Vorbereitung auf die Saison 2021 genug Zeit haben.
„Es gibt noch immer Punkte, bei denen es etwas Distanz gibt“, räumte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto in Bahrain ein. „Wir diskutieren aber alle, und ich denke, dass es für die Formel 1 gut sein wird, die richtige Übereinkunft zu finden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das schaffen.“
Kostenbremse trifft Topteams
Die Zukunftsrunde aus Regelwächtern, Vermarktern und den zehn Teams in London vergangene Woche war keine Spaßveranstaltung. Die US-Eigentümer wollen die Kosten für den Rennbetrieb drastisch reduzieren, den Wettbewerb befeuern und auch die Geldverteilung anpassen. Da prallen die Interessen der Topteams Mercedes, Ferrari und Red Bull, die mehrere Hundert Millionen Euro in der Saison ausgeben, auf jene der kleinen Teams, die finanziell nicht mithalten können.
„Ich beneide sie nicht um die Aufgabe, zwischen uns zehn Teams einen Kompromiss zu finden, aber jemand muss es tun. Und sie werden das hinkriegen“, meinte Haas-Teamchef Günther Steiner gerichtet an die Formel-1-Geschäftsführer Carey und Brawn. „Hoffentlich haben sie schon bald die ultimative Lösung, die allen von uns gefallen wird.“
Das Überholen auf der Strecke soll Sportchef Brawn zufolge weiter erleichtert, die Motoren sollen lauter und leistungsstärker werden. Zudem ist geplant, weitere Etappen in den aktuell 21 Rennen umfassenden Kalender aufzunehmen, um mehr Geld einzuspielen. Auch an eine Modifizierung des Qualifikationsformats mit künftig eventuell vier Durchgängen wird gedacht. Besonders heikel sind Budgetdeckelung und Preisgeldverteilung.
Auch nach Ablauf des aktuellen Grundlagenvertrags Ende 2020 wollen Traditionsteams ihre vom langjährigen Chefvermarkter Bernie Ecclestone gewährten historischen Extrazahlungen beziehen – egal, wo sie im Gesamtklassement landen. Ferrari, als einziges Team seit 1950 in der Formel 1 vertreten, erhält den größten Bonus. „Sie sind die größte Marke, und alle anderen Teams, denke ich, erkennen an, dass Ferrari wichtig für die Formel 1 ist“, sagte Brawn, der zu Michael Schumachers roter Glanzzeit für die Scuderia arbeitete.
Was die Budgetobergrenze betrifft, ist Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff grundsätzlich nicht abgeneigt, kleine Rennställe sollen schließlich nicht nur hinterherfahren. Doch man dürfe „die großen Teams strukturell nicht beschädigen“, mahnte der Wiener. Ausgaben sollen nach der Vorstellung Brawns auch durch Standardisierung reduziert werden: Jedes Team soll etwa die gleiche Boxenausstattung bekommen.
Die grundsätzliche Ausrichtung der Formel 1 gibt allerdings auch Anlass zur Kritik. So sehen das zum Beispiel PS-Puristen wie Sebastian Vettel. „Die Formel 1 ist mehr und mehr eine Show und ein Geschäft als ein Sport“, meinte der Ferrari-Pilot in der „Times“. Man müsse entscheiden, was man nun sein wolle. „Ich habe das Gefühl, dass wir zu viel Zeit und Energie mit den Regularien verschwenden, die einfach kostspielig für wirklich nichts sind.“ Es wird also erstmal weiter gerungen im Debattierklub Formel 1. (DPA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2019)