„Beach Bum“: Das reichlich zugedröhnte Männerglück von Florida

McConaughey als Strandpoet Moon Dog in Florida, der sich von seiner Frau aushalten lässt.
McConaughey als Strandpoet Moon Dog in Florida, der sich von seiner Frau aushalten lässt. (c) Constantin Film
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Im Film „Beach Bum“ spielt Matthew McConaughey einen Lebenskünstler in Florida: eine eigenwillige Utopie.

Das Gegenwartskino kennt kaum Utopien. Filme, die sich an Gesellschafts- und Weltbefindlichkeit abarbeiten und dabei nicht zum Schluss kommen, dass wir alle unwiderruflich unserer Selbstauslöschung entgegenvibrieren, sind Mangelware. US-Regisseur Harmony Korine interessiert sich zum Glück nicht für solch große Entwürfe: Sein Kino ist radikal subjektiv, die eigentümlichen Figuren darin machen sich die Welt, so wie sie ihnen gefällt, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne jemals moralisch geläutert zu werden.

Es ist ein eigener utopischer Kontinent, eine vergessene Welt, fast wie bei Arthur Conan Doyle: Korines Stoner-Komödie „Beach Bum“ (zu deutsch: Strandpenner) und deren dauernd dichte Hauptfigur Moon Dog (Matthew McConaughey) reihen sich nahtlos ein in den Katalog von Randständigen, für die Harmony Korine seine Filme baut.

Auf seinen Durchbruch mit dem Drehbuch zum umstrittenen Jugenddrama „Kids“ (1995) folgten mit „Gummo“ (1997) und „Julien Donkey-Boy“ (1999) zwei radikalpoetische Innenaufnahmen von äußerlich dysfunktionalen Familien, deutlich inspiriert vom unsentimentalen Sonderlingskino des Werner Herzog, der für Korine auch zweimal als Schauspieler agierte – etwa im unterschätzten „Mister Lonely“ (2007), in dem Promi-Imitatoren von Michael Jackson über Marilyn Monroe bis hin zum Papst das Kommunenleben in einem exotischen Paradies proben.

Die Wahlheimat des Regisseurs

2012 schließlich katapultierte ihn die launige, lyrische, lärmende Gangsterkomödie „Spring Breakers“ ins Herz von Hipster-Hollywood: Es war der erste Film, den Korine in seiner neuen Wahlheimat, Florida, drehte, und vor allem deshalb ist er vollgesogen mit den satten Farben, ausgestellten Körperkulturen und hedonistischen Lebensentwürfen, die dem südlichsten Zipfel der USA etwas Gegen- und Zwischenweltliches verleihen.

„Beach Bum“ ist, wenn man so will, das sonnendurchflutete Gegenstück zum nachtlichternden „Spring Breakers“: Moon Dog ist eine lokale Berühmtheit auf den Florida Keys; er sitzt stundenlang am Pier und liest aus seinem ersten und bisher einzigen Gedichtband, wenn er nicht gerade mit großbusigen Frauen und eingerauchten Freunden auf seinem kleinen Boot Well Hung (also: gut bestückt) Party macht. Finanziert wird all das von seiner reichen Ehefrau, Minnie (Isla Fisher). Als sie nach einem Autounfall ihren schweren Verletzungen erliegt, ist Moon Dogs Lebens- und Rauschgrundlage ernsthaft gefährdet. Denn nur wenn er endlich sein zweites Buch veröffentlicht, erhält er die Hälfte ihres gewaltigen Vermögens.

Läuterungsromantik ist „Beach Bum“ allerdings fremd: Zwar lässt Moon Dog sich anfänglich in eine Entzugsanstalt einweisen, türmt aber schon nach wenigen Tagen mit dem jüngeren Flicker (Zac Efron) und liegt bald darauf wieder zugedröhnt und überglücklich unter einer Brücke. Der Rausch ist für ihn nicht Ausnahme-, sondern Seinszustand, die nüchterne Welt tangiert ihn kaum. Harmony Korine übrigens ebenso wenig: „Beach Bum“ ist reiner Auswurf seiner Kunstwelt, in der Südflorida-Originale, die er bei seinen vielen Spaziergängen am Strand kennengelernt hat, neben Superstars wie Zac Efron stehen.

Analog zu der durch die Wirklichkeit oder an ihr vorbeifließenden Hauptfigur ist auch der Film selbst mehr Bewusstseinsstrom als klassische Erzählung, im Flow gehalten von farbflirrenden Bildern und assoziativem Filmschnitt. Die fluide Dramaturgie bleibt bis zum Ende flächig und verzichtet auf konventionelle dramaturgische Zuspitzungen. Anders gesagt: Wäre „Beach Bum“ eine Marihuanapflanze, dann eine Hybridzüchtung mit annähernd gleichen Anteilen von entspannendem CBD und aufmunterndem THC.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2019)

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