Islamischer Zentralrat: "Steinigungen Teil der Religion"

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Islamischer Zentralrat Steinigungen Teil(c) REUTERS (� Ruben Sprich / Reuters)
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Nicolas Blancho, Präsident des "Islamischen Zentralrats der Schweiz", sagt in einem Interview, dass Steinigungen ein Wert seiner Religion sei. Andere islamische Organisationen distanzieren sich von Blancho.

Eine kleine Gruppe von Muslimen sorgt in der Eidgenossenschaft für Aufsehen. Sie vertreten einen "reinen", konservativ-radikalen Islam, und ihre Gründer und Führer sind einheimische Konvertiten: Der Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) löst Ängste und Ärger aus und sorgt auch bei den alteingesessenen islamischen Gemeinschaften für Unbehagen. Vom "dubiosen" Umfeld von IZRS-Präsident Nicolas Blancho führen auch Spuren zur Al-Kaida, berichtet die aktuelle "SonntagsZeitung".

In einem Interview in der aktuellen Sonntagspresse hat er sich nicht dazu durchgerungen: Es habe keine Relevanz, ob er für oder gegen Steinigungen sei, sagte Blancho. "Es ist für mich als Muslim ein Bestandteil, ein Wert meiner Religion." Aber bei den gegebenen Umständen in der Welt und der Schweiz sei Steinigung nicht umsetzbar. "Es ist eine ideelle Sache", hielt Blancho im Gespräch fest.

Vertreter von anderen islamischen Organisationen in der Schweiz haben sich dem Blatt zufolge klar von Steinigungen distanziert. Afshar Farhad, Präsident der "Koordination Islamischer Organisationen in der Schweiz" (KIOS), empfindet die Meinung von Blancho als "sehr fundamentalistisch".

Scharia über Schweizer Recht

Der Konvertit Blancho gibt sich nicht zurückhaltend, wenn es um die Lieferung von Gesprächsstoff geht. So soll er 2006 gesagt haben, die Scharia stehe im Zweifelsfall über dem Schweizer Recht. Wiederholt relativierte er diese Aussage, die "aus dem Zusammenhang gerissen sei", doch entkräften kann er sie nicht. Stattdessen sorgt Blancho immer wieder für neue Schlagzeilen. Für die Errichtung einer muslimischen Parallelgemeinschaft mit eigenen Schulen und Geschäften setzen er und der IZRS sich weiterhin ein, und auch für einen Fatwa-Rat, der nach der Scharia Recht sprechen soll, vermeldeten jüngst Schweizer Medien.

Anfrage für gefälschten Pass?

Nun berichtet die Sonntagspresse, der ranghohe Al-Kaida-Terrorist Abdullah Ahmad al-Raimi aus dem Jemen habe 2003 einem jemenitischen, in der Schweiz ansässigen Geschäftspartner von Blancho gesagt, er brauche einen gefälschten Schweizer Pass. Al-Raimi wurde im selben Jahr verhaftet. Seit seiner Flucht im Jahr 2006 sei er auf der Liste der meistgesuchten Personen im Jemen. Blancho will von möglichen Verbindungen zur Terrororganisation nichts wissen. "Das ist alles heiße Luft", entgegnete er in der "SonntagsZeitung".

Vergangenen Freitag hatte der 26-jährige Blancho, der sich stets in langen Gewändern, mit Kappe und seinem rötlichen Rauschebart zeigt, einen Auftritt in der politischen Diskussionssendung "Arena" des Schweizer Fernsehens SF. Politiker aller Lager zeigten sich danach empört über die Werthaltung des IZRS-Chefs. Besonders sauer aufgestoßen ist ihnen, dass sich Blancho nicht von Steinigungen oder Frauenbeschneidungen distanzieren wollte.

Angst vor dem IZRS

In den eingesessenen islamischen Gemeinschaften in der Schweiz, darunter die KIOS, löst der IZRS Ängste aus. Der Religionswissenschaftler Samuel Behloul von der Universität Luzern erklärte vor Wochenfrist in der "NZZ am Sonntag", die Schweizer Konvertiten würden von den gebürtigen Muslimen in ihrer Erscheinung einerseits als lächerlich empfunden, andererseits auch als Bedrohung wahrgenommen, weil sie als gut ausgebildete Einheimische in der Lage seien, sich medial in Szene zu setzen. Damit würden sie in der Öffentlichkeit ein Gewicht erhalten, das ihrer geringen Bedeutung unter Schweizer Muslimen in keiner Weise entspräche.

Saida Keller-Messahli vom Forum für einen fortschrittlichen Islam stuft den IZRS als gefährlich ein und würde ihn am liebsten verbieten. Diese Meinung teilen etliche Politiker aus dem rechtskonservativen Lager.

Auch Christophe Darbellay, Präsident der Mitte-Partei CVP (Christlichdemokraten), würde Blancho gar am liebsten abschieben, wäre er Ausländer. "Fundamentalisten haben in der Schweiz nichts zu suchen", unterstrich er, und "über dem Koran steht die Bundesverfassung".

Überwachung gefordert

chweizer Politiker fordern nun eine verstärkte Überwachung des IZRS. Der Stadtpräsident von Biel im Kanton Bern, wo Blancho seine Wurzeln hat, sagte in der aktuellen Sonntagspresse, er sei weder vom Schweizer Nachrichtendienst noch von der Eidgenössischen Bundespolizei über ihre Observationen und Erkenntnisse bezüglich des IZRS oder anderer fundamentalistischer Strömungen informiert worden.

Der erst nach dem Ja der Schweizer Stimmbürger zum Minarett-Verbot Ende November 2009 gegründete IZRS gab vor Wochenfrist Einblick in sein Mitgliederverzeichnis. Die Online-Ausgabe der Zeitung "Sonntag" berichtete von 960 Mitgliedern, wovon rund 60 Prozent den Schweizer Pass besitzen. Bei zehn Prozent handelt es sich um Schweizer Konvertiten. 80 Prozent der IZRS-Mitglieder sind jünger als 35 Jahre, 60 Prozent sind Männer. Die Frauen haben dem Blatt zufolge zumeist "Hausfrau" als Beruf angegeben.

Eine viel diskutierte Frage ist, wie die Organisation finanziert wird. Gemunkelt wird über Geldgeber aus Saudi-Arabien. Blancho sagte gegenüber der Zeitung "Sonntag", finanziert werde die Organisation über Mitgliederbeiträge, die im Moment jährlich zwölf CHF (8,36 Euro) betragen. Es gebe auch Spendensammlungen: "Es gibt hier Leute, die ziemlich viel verdienen und ziemlich viel geben."

Nach Behördenangaben leben rund 350.000 bis 400.000 Muslime in der Schweiz, mehr als die Hälfte davon stammt aus Ex-Jugoslawien. Insgesamt praktizieren nur rund 50.000 Personen ihre Religion, und 10.000 gelten als strenggläubig.

(APA)

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