Wer hat Angst vor Viktor Orbán?

Warten wir doch zuerst ab, was der ungarische Konservative aus seiner großen Mehrheit macht. Verteufeln können wir ihn immer noch.

Die „Habt alle Angst vor Viktor Orbán“-Stimmung, die vor allem von den bei den Parlamentswahlen schwer geschlagenen ungarischen Sozialisten über die Landesgrenzen hinaus verbreitet wurde, wird vielleicht noch eine Zeit lang anhalten. Aber sie wird schon wieder verpuffen. Der ungarische Wähler hat gesprochen, frei und fair, und er hat Orbán mit einem überdeutlichen Mandat ausgestattet. Punkt.

Was er damit anfängt, ist sein Kaffee. Ja, Viktor Orbán hat mit seinen kantigen Manövern in den vergangenen acht Jahren in der Opposition berechtigte Zweifel an seiner politischen Größe aufkommen lassen. Der Mann ist überehrgeizig, stur, beinhart, hyperpatriotisch. Aber solche Eigenschaften sind per se nicht schlecht für einen Politiker. Wer ihn je erlebt hat, weiß auch, dass Orbán blitzgescheit, taktisch brillant und sehr überzeugend sein kann. Ein Vollblutpolitiker eben, wie es gar nicht so viele gibt.

Nein, man braucht keine Angst vor Viktor Orbán zu haben. Zuerst sollte man einmal zuschauen, was er aus seiner überwältigenden Mehrheit im Parlament innenpolitisch macht, und ob er es wirklich auf eine Provokation seiner nervösen Nachbarn anlegt. Dann erst sollte man urteilen. Vieles spricht jedenfalls dafür, dass Orbán mit dem rechtsradikalen Spuk, der Ungarn neuerdings heimsucht, viel eher fertig werden wird, als es die bisherigen sozialistischen Regierungen wurden. Wetten, dass dann die „Habt Angst“-Parolen völlig vergessen sein werden? (Bericht: Seite7)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2010)

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