Begleitung aus der Distanz

60 Prozent der Klienten bevorzugen Coaching-Modelle, die Online- und Präsenzelemente kombinieren.
60 Prozent der Klienten bevorzugen Coaching-Modelle, die Online- und Präsenzelemente kombinieren. (c) Getty Images/iStockphoto (anyaberkut)
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Die moderne Arbeitswelt lässt kaum mehr Zeit für physische Präsenz. Deshalb ist es für Coaches wichtig, sich mit virtuellen Werkzeugen zu befassen.

Als ich vor zwölf Jahren mit dem Online-Coaching begann, hatte ich selbst Zweifel, ob das das Richtige ist. Doch weil ich damals nach Malaysia gezogen bin, schlugen meine Kunden von sich aus vor, die Coachings über die Distanz weiterzuführen. Nach mittlerweile mehr als 1000 Online-Coachings kann ich heute sagen, dass es funktioniert“, berichtet Masha Ibeschitz, Gesellschafterin bei MDI Training. Nach ihrer Erfahrung bevorzugen ihre Klienten in mehr als 60 Prozent der Fälle eine Kombination aus Online- und Präsenzcoaching sogar gegenüber reinen Präsenzmodellen. In den vergangenen fünf Jahren seien das Interesse und die Bereitschaft massiv gestiegen, „auch, weil die Digital Natives in den Führungsetagen angelangt sind und der Umgang mit digitalen Technologien selbstverständlich geworden ist“, meint die Expertin. Doch vor allem liege der Anstieg an den aktuellen Arbeitsformen. Stichworte dazu sind digitale Transformation und agile Arbeitsweise.

Eine Entwicklung, die auch Konsequenzen für die Ausbildung künftiger Coaches hat.

Trend, aber (noch) kein Hype

„Derzeit zeichnet sich erst ein Trend ab, von einem Hype kann man aufgrund der noch geringen Frequenz und der wenigen Tools und Plattformen, die tatsächlich bereits technisch ausgreift zur Verfügung stehen, noch nicht sprechen“, sagt Michael Tomaschek, Geschäftsführer der European Systemic Business Academy.

Sie bietet im Rahmen des Lehrgangs zum systemischen Projektcoach und des Coaching-Professional-Lehrgangs die Möglichkeit, sich ein Modul lang mit dem Thema Online-Coaching zu beschäftigen. Tomascheks Einschätzung: Der Bedarf werde sich erhöhen, nicht nur für Coachings über weite Distanzen, sondern auch im innerstädtischen Bereich. Was das für angehende Coaches bedeutet? „Neben der technischen Anwenderkenntnis der Online-Tools wird sich auch eine neue Strukturkompetenz entwickeln müssen, die noch stärker den Coach fordert, seine Abläufe und Coaching-Prozesse zu steuern und abzuarbeiten“, erklärt der Experte. Coaching erfolge dann nicht nur in einer Präsenzstunde, auch zwischen diesen Einheiten werde an Inhalten und Ergebnissen gearbeitet. „Vom Coach wird dabei Begleitung und Unterstützung on demand verlangt, was auch bedeutet, seine eigenen Arbeitsabläufe und Zeiten anders zu organisieren“, sagt Tomaschek.

Technische Affinität gefragt

Zu den weiteren Fähigkeiten, die man als Online- oder Virtual-Coach mitbringen sollte, gehört vor allem technische Affinität: „Erfahrung im Umgang mit technologischen Kommunikationsmitteln sollte vorhanden sein, und der Coach soll sich mit diesen Techniken wohlfühlen.“

Außerdem sollte man aktiv zuhören können, um die emotionalen Befindlichkeiten des Coachees bei synchroner Kommunikation (Audioübertragung) oder bei Videotelefonie herauszuhören, sagt Herbert Korvas. Er leitet die Coaching-Lehrgänge an den Berufsförderungsinstituten (BFI) in Wien und Salzburg. Auffällig sei, dass sich die Diplomarbeiten der Lehrgänge immer mehr diesem Thema widmen, etwa den Methoden und Einsatzbereichen der synchronen Onlinekommunikation, den Chancen und Problemstellungen von Online-Coaching sowie dem Bereich „Digitale Aufnahme von Coachingsitzungen als Lernsimulation“. Die Lehrgänge am BFI dauern sieben Monate und werden in Form von Wochenendmodulen abgehalten.

„Die virtuelle Arbeit ist in vielen Berufen längst Alltag. Wir integrieren diesen technischen Fortschritt bereits in unsere Ausbildung. Der Trend wird die Weiterentwicklung sein“, sagt Gabriele Kurz, Leiterin der Future-Coaching-Ausbildung 4.0, einer nach den Regeln des internationalen Coaching-Verbandes zertifizierten Ausbildung.

Teams zusammenführen

Neben den Präsenzmodulen, die sich unter anderem mit Werkzeugen zur authentischen Entwicklung von Individuen, Teams und Unternehmen beschäftigen, werden virtuelle Module angeboten. Dazu gehört das Thema Coach-Sein auf virtueller Ebene ebenso wie das Zusammenführen von unterschiedlichen Teams, Berufsgruppen oder Standorten durch Coaching-Kompetenz. Online-Coaching erspare allen Beteiligten viel Zeit und Kosten und könne überall stattfinden. Die Ausbildung wird heuer an fünf Orten in Österreich angeboten.

„Online-Coaching ist die Antwort der Beraterbranche auf die sich ändernden Rahmenbedingungen des Marktes“, sagt Ruth Berghofer, Geschäftsführerin der Balance-Akademie. Dort wird in einer fast zweijährigen Ausbildung Rücksicht auf die modernen Coaching-Bedürfnisse genommen.

Spezifische Methoden

„Speziell für den Online-Coaching-Bereich werden Übungen zu Wahrnehmung, Konzepte für das Vorgehen im Online-Coaching und spezielle Methoden für Telefon/Skype oder schriftliches Coaching vermittelt“, erläutert Berghofer. Als Online-Coach müsse man sich gern mit technischen Neuerungen befassen, beispielsweise mit Gamification oder Augmented Reality. „Es ist wichtig, sich einerseits neue Methoden für den Onlinebereich anzueignen und sich andererseits auch selbst Lösungen zu überlegen, wie man Konzepte und Tools für das Online-Coaching aufbereitet“, sagt Berghofer. Andererseits müsse ein Virtual Coach wissen, wie er mit den Einschränkungen der Onlinekommunikation zugunsten einer positiven Entwicklung des Coachees umgehen kann.

Web:www.esba.eu

www.balanceakademie.at/akademie/

ausbildungen/coaching

www.future.at/coaching/coaching-akademie/future-coaching-ausbildung-40

www.bfi.at

www.mdi-training.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2019)

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