"Die Linke hat sich von den ärmeren Schichten entfremdet"

Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknechtimago images / Christian Thiel
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Sahra Wagenknecht, scheidende Fraktionschefin der Linkspartei in Deutschland, rechnet hart mit ihren eigenen Leuten ab. Viele gerierten sich elitär und würden Andersdenkende schnell als Nazis abstempeln.

Die scheidende Fraktionschefin der deutschen Partei „Die Linke", Sahra Wagenknecht, ist mit ihrer Partei in aufsehenerregender Weise hart ins Gericht gegangen. Die Linke habe sich "von den ärmeren Schichten teilweise entfremdet, weil sie oft nicht deren Sprache spricht und von ihnen als belehrend und von oben herab empfunden wird", sagte Wagenknecht (49) der "Neuen Osnabrücker Zeitung" von Samstag.

"Linkssein heißt, soziale Missstände zu bekämpfen, und nicht etwa, einen bestimmten Lifestyle zu pflegen, der womöglich sogar noch ziemlich elitär ist", sagte Wagenknecht weiter, die sich im Herbst nicht als Fraktionschefin zur Wiederwahl stellen will.

"Bioladen ist für Gutverdiener"

Den Bioladen könnten sich "nur Gutverdiener leisten, und wer eine Wohnung in teurer Innenstadtlage bezahlen kann, hat es in der Regel auch leichter, den Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad zu bewältigen", fügte sie hinzu.

Eine generell linke Mehrheit im Bundestag sieht Wagenknecht aktuell nicht, wohl aber einen "sozialen Zeitgeist". Es gebe eine "breite Mehrheit für mehr sozialen Ausgleich, bessere Löhne, höhere Renten". Allerdings hätten die Sozialdemokraten viele Jahre "realpolitisch das Gegenteil umgesetzt". Sowohl die SPD als auch die Linke müssten sich ändern, "damit wir eine linke Mehrheit im Bundestag zurückgewinnen können".

Wagenknecht, die innerparteilich wegen ihrer realistischen, sprich kritischen Haltung zur Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel speziell zur Zeit der großen Migrationswelle 2015/16 unter Beschuss linkker und liberaler Kreise geraten ist, verwahrte sich in der "NOZ" gegen "Lügen" und "Diffamierungen" in der Migrationsdebatte: "Wer jeden, der eine differenzierte Sicht auf Migration einfordert, in die Nazi-Ecke stellt, begreift nicht, dass er genau damit die rechten Parteien stärkt."

Viele Menschen fühlten sich durch solche Debatten verächtlich gemacht. "Und wenn man ihnen immer wieder einredet, dass sie mit ihrer Meinung 'rassistisch' seien, dann identifizieren sie sich irgendwann damit und wählen aus Wut tatsächlich AfD."

Armutsbekämpfung durch Migrationsförderung „Lüge"

Die 49-Jährige, die politisch aktiv bleiben will, nannte es außerdem "eine große Lüge", dass Armut in der Dritten Welt durch die Förderung von Migration bekämpft werden könne. "Das Gegenteil ist der Fall", sagte Wagenknecht. "Denn es verlassen nicht die Ärmsten ihre Länder, sondern eher die Mittelschicht und die etwas besser Ausgebildeten." Das verstärke die Armut an Ort und Stelle, während es den Unternehmen hierzulande billige Arbeitskräfte verschaffe und so die Löhne unter Druck setze.

Der Linken-Parteivorstand kommt am Wochenende in Berlin zusammen. Am Montag will sich Parteichefin Katja Kipping dann vor der Presse äußern. Die Linke hält aktuell 69 der 709 Bundestagssitze, hatte bei der Wahl 2017 9,2 Prozent der Stimmen erhalten und lag damit ganz knapp noch vor den Grünen (8,9%).

Wagenknecht, die 1969 in Jena (damals DDR) geboren wurde, ist seit 2014 in zweiter Ehe mit dem früheren SPD-Granden und späteren Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Linken, Oskar Lafontaine, verheiratet. Die beiden wohnen im Saarland dicht an der Grenze zu Frankreich.

(AFP)

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