Kooperationen: Mein Kunde, meine Box

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Eine Zusammenarbeit der Paketbranche bei der Zustellung ist naheliegend. Die Marktsituation macht es schwierig.

Logistikkooperationen sind insbesondere dort spannend, wo viel Bewegung im Markt ist. Bei Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) ist dies aktuell der Fall. Die Anzahl der Sendungen nimmt durch den Internethandel zu. Gleichzeitig gibt es keine gemeinsamen Ansätze der Dienstleister, neutrale Empfangsboxen zu etablieren.

„Der Wachstumstrend E-Commerce stellt eine verkehrspolitische Herausforderung dar und verschärft die bereits bestehenden Flächennutzungskonflikte in großen Städten“, sagt Kerstin Stark aus Berlin. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) leitet ein übergreifendes Projekt, das sich mit Konzepten für Personenmobilität und Güterverkehr in Städten und dortigen Verflechtungsräumen auseinandersetzt. „Dienstleisterübergreifende Kooperationen beziehungsweise eine übergreifende Koordinierung wären ein wichtiger Schritt, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren“, ist die Soziologin und Verkehrsexpertin sicher.

Eine Zusammenarbeit unter Paketdiensten scheitert ihr zufolge derzeit aber am hohen Wettbewerbsdruck unter den Marktteilnehmern. In Wien und Berlin fahren die gleichen großen Unternehmen Pakete aus. Ob DPD, GLS oder DHL – alle sind in beiden Großstädten derzeit Einzelkämpfer. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Marktteilnehmer Amazon Logistics sowohl in Berlin als auch in Wien der Druck jüngst noch einmal gestiegen ist. „Es gibt einen stark umkämpften Markt“, sagt Andreas Liebsch, Geschäftsführer des österreichischen Logistikimmobilienentwicklers GoAsset. Liebsch hat in der Diskussion über neutrale Abholstationen seine eigene Position: Er kann sich bei diesem Thema auch marktlenkende Eingriffe vorstellen. Denn wenn Regularien alle betreffen, sei gleicher Wettbewerb gegeben, argumentierte er bei einem unternehmenseigenen Citylogistiksymposium Anfang des Monats.

Ein großer Anbieter

Die Rahmenbedingungen für Kooperationen innerhalb der KEP-Dienste stimmen nicht. Das Thema Empfangsboxen macht es offensichtlich: Die Österreichische Post hat in den vergangenen Jahren ihr eigenes, geschlossenes System etabliert. Es gebe mit der Österreichischen Post einen ganz großen Anbieter im Privatkundengeschäft, beschreibt Rainer Schwarz, Geschäftsführer bei DPD Austria die Marktlage. Schwarz plädiert in einem Pressegespräch für „gemeinschaftliche Lösungen. Dies hört die Österreichische Post leider nicht gern“, stellt der DPD-Manager fest und gibt sogar zu, dass er dies „aus betriebswirtschaftlichen Gründen“ auch verstehe.

Der Empfänger wolle aber eine einheitliche Box, so Schwarz weiter. Da der größte Anbieter aber das größte Netzwerk – über die Jahre entwickelt – in den Händen halte, sage dieser zur Öffnung Nein. Der DPD-Geschäftsführer ist sich aber sicher: „Ich finde, es wird die Zeit kommen müssen, weil es in anderen Branchen ebenfalls die Situation gibt, dass Netze geöffnet werden.“ Als Beispiel nennt er die Telekommunikationsbranche oder den Markt der Stromversorger. Trotz dieses Vergleichs und des Verweises auf das Netz eines großen Mitbewerbers sieht Schwarz – im Gegensatz zu Liebsch – einen Eingriff auf die KEP-Branche von außen kritisch: „Ich bin kein Freund von Marktregulierung.“ Er denkt vielmehr, dies müsse über den Konsumenten kommen. Entscheidend sei es daher, die Empfänger zu überzeugen, dass eine neutrale Paketbox eine sinnvolle Sache ist.

Empfängerwille entscheidend

Von Berlin kann Wien derzeit noch nicht lernen: „Bei den gegebenen Rahmenbedingungen sind Paketdienste nicht zu weitreichenden Kooperationen und zur Öffnung ihrer Systeme bereit“, sagt auch Wissenschaftlerin Stark vom DLR-Institut für Verkehrsforschung. Stattdessen bringt sie eine andere Art von Kooperation ins Spiel: „Es wäre zum Beispiel denkbar, dass ein Dienst für ein bestimmtes Wohngebiet zuständig ist und die Pakete unabhängig vom Anbieter aus einem Mikrodepot abholt und weiterverteilt.“

Wie derzeit in Österreich Kooperationen im KEP-Markt aussehen, zeigt ein Blick auf das Zusammenspiel der Österreichischen Post mit DHL. Stimmen die Wettbewerbsbehörden zu, wandern die Paketmengen beider Dienstleister bald in den Zustellkanal des heimischen Platzhirschs. Zwei Empfangssysteme wachsen dadurch zusammen und stärken den teilstaatlichen Postkonzern weiter.

Wer die Argumentation von DPD-Manager Schwarz hier weiterdenkt, kommt um eine Folgerung nicht herum: Das bestehende, geschlossene System an Empfangsboxen wird damit noch größer – und gemeinsame Ansätze für offene Lösungen werden schwieriger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2019)

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