Serbische Nationalisten zeigten Genugtuung über den Brand in Notre-Dame. Sie nehmen Paris die Kosovo-Politik übel. Präsident Vučić versichert nun aber: „Serben sind traurig.“
Belgrad. Zumindest in der Bestürzung über den Brand von Notre-Dame scheint der zerrissene Kontinent vereint. Doch auf dem Balkan haben die Rauchwolken über Paris zum Teil auch Schadenfreude und Genugtuung ausgelöst: Es sind die Beteiligung an den Nato-Luftangriffen auf Serbien 1999 und die Anerkennung der 2008 erklärten Unabhängigkeit des Kosovo, die nationalistische serbische Eiferer Paris noch immer übel nehmen.
„Die Strafe Gottes hat sie ereilt“, titelte direkt nach Brandausbruch freudig die Website von Serbiens regierungsnahem Boulevardblatt „Informer“ in Belgrad. Vor sechs Monaten hätten „die Franzosen“ die Flagge des „falschen“ Staats Kosovo in der Kathedrale aufgehängt: „Nun hat die Gewalt der Flammen sie vernichtet.“ Eine ähnliche Botschaft verbreitete auch die Postille „Alo!“, die den Franzosen vorwarf, „auf serbische Opfer gespuckt“ zu haben. Erst nachdem der allgewaltige Staatschef Aleksandar Vučić per Twitter versichert hatte, dass „alle Serben wegen Notre-Dame traurig“ seien, verschwand die von den Blättern verbreitete Gottesstrafe wieder aus dem Netz. Auch der in den 1980er-Jahren in Lille und Cannes kickende Ex-Fußballprofi Dušan Savić machte per Instagram aus seiner Freude über die Zerstörung der Kathedrale kein Hehl: „Franzosen, erinnert Ihr Euch an den 11. November, als Ihr zum 100-jährigen Jahrestag des Sieges im Ersten Weltkrieg in dieser Kathedrale die Fahne der terroristischen Narko-Schöpfung des sogenannten Staates Kosovo aufgehängt habt? Gott ist groß, er sieht alles.“
„Vergeltung“ für Luftangriffe
Im benachbarten Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina legte Rajko Vasić, amtierendes Vorstandsmitglied der serbischen Regierungspartei SNSD, noch ein Schäufelchen drauf: Er sei wegen des Brandes „erfreut“, den er als eine Art „gerechte Vergeltung“ für die Beteiligung Frankreichs an den Luftschlägen der Nato im Bosnien-Krieg und im Kosovo-Krieg betrachte, ließ der frühere Parteisprecher per Twitter wissen: „Wer immer unschuldige und hilflose Serben bombardiert, möge ausbrennen.“
„Das sind keine Christen“
Viele Serben sehen das anders. Diejenigen, die sich über den Brand von Notre-Dame freuten, seien „weder Christen noch Menschen“, empört sich Bojan Pajtić, der frühere Vorsitzende von Serbiens oppositioneller Demokratischer Partei.
Das Zentrum für Frieden im bosnischen Mostar ließ als Zeichen der Verbundenheit mit Frankreichs Hauptstadt das Stadtwahrzeichen der „Alten Brücke“ in den französischen Nationalfarben bestrahlen: Die mehr als 450 Jahre alte Brücke war im Bosnien-Krieg 1993 zerstört und nach Kriegsende auch mit französischer Hilfe wiederaufgebaut und 2004 neu eingeweiht worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2019)