Jugend und Demokratie

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All die jungen Menschen, die hier im Europaparlament in anderen Besuchergruppen herumlaufen – was genau denken die über unsere mühsame, langwierige und oft frustrierende Demokratie europäischen Zuschnitts?

Vorige Woche hatte ich anlässlich der letzten Sitzungswoche des Europäischen Parlaments in Straßburg die Gelegenheit, einer Wiener Besuchergruppe etwas über den Alltag als Europa-Korrespondent dieser Zeitung sowie meine generelle Einschätzung der Lage in der Union zu erzählen. Solche Begegnungen sind für Journalisten äußerst wertvoll, denn sie geben uns die Gelegenheit, Feedback auf unsere Arbeit zu erhalten; etwas, das vor allem in der politischen Brüsseler Blase bisweilen nicht so einfach zustande zu bringen ist. Die Gruppe war sehr informiert, dem europäischen Projekt auch stark zugetan, doch dann stellte ein Herr eine Frage, die mich seither beschäftigt: All die jungen Menschen, die hier im Europaparlament in anderen Besuchergruppen herumlaufen – was genau denken die über unsere mühsame, langwierige und oft frustrierende Demokratie europäischen Zuschnitts? Blicken die nicht vielleicht auf die totalitäre Zackigkeit, mit der man in China Dinge entscheidet, und sagen: Wozu brauchen wir die Demokratie mit ihren „Quatschbuden“?

Eine wichtige Frage. Wie lässt sie sich beantworten? Meine Einschätzung, man dürfe die jungen Leute und ihre Bereitschaft, sich mit Mühsamem, Komplexem zu befassen, nicht unterschätzen, wollte ich gerne faktisch unterfüttern. Ich schlug in den einschlägigen Erhebungen nach: Shell-Jugendstudie zum Beispiel, Pew Research, TUI-Stiftung. Generell dürfen wir wohl aufatmen: Zwar hat die Jugend wenig Vertrauen in Institutionen und vor allem nicht in politische Parteien. Von der Demokratie will sich aber nur eine kleine Minderheit abwenden. Im Demokratie-Monitor von SORA fand ich eine Klage, die fast wortgleich der Herr aus der Besuchergruppe in Straßburg äußerte: Rund 40 Prozent der 16- bis 26-Jährigen „hätten in der Schule außerdem gerne mehr darüber gelernt, wie sie sich beteiligen können, wie die Qualität politischer Berichterstattung beurteilt werden kann und wie Politik in Österreich funktioniert.“ Mehr politische Bildung in Österreichs Schulen: Werden wir es erleben, dass sich eine Bundesregierung dieses Ziel auf die Fahnen heftet?

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2019)

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